Verfuehrt zur Liebe
hing ihre Entscheidung von Vertrauen ab. Vertraute sie ihm genug, um ihm zu glauben, dass er sich den Rest ihres Lebens daran hielte, Tag für Tag?
Das war die Frage, auf die sie die Antwort finden musste.
Eines war auf jeden Fall klar. Ihre Verbindung - das Gefühl zwischen ihnen, das sie zu verstehen versucht hatte - war echt; es war tief verwurzelt in ihrer gemeinsamen Vergangenheit, war durch das, was sie in den letzten Tagen getan hatten, weiter erstarkt und nun beinahe greifbar zwischen ihnen.
Es wuchs noch, erstarkte weiter.
Und er wusste das auch, spürte es und erkannte es so wie sie. Im Augenblick versuchte er es einzusetzen, zu nutzen. Nahm man dazu noch seinen Willen - etwas, das sie nie erwartet hätte trieb er die Entwicklung absichtlich in die Richtung voran, die er wollte.
Was sie zu der wichtigsten Frage brachte. War das, was sie spürte, wirklich da, oder machte er es sie nur unter Ausnutzung seiner Erfahrung glauben, damit sie ihn am Ende heiratete?
Sie musste daran denken, wie sie heute Morgen auf seine Sorge reagiert hatte. War er gewissenlos genug, sich das nur ausgedacht zu haben? Sie kannte die Antwort: ja.
Aber hatte er das auch getan?
Sie spürte die Gefühle - Leidenschaft, Begehren -, die er unter Kontrolle hielt, vor ihr zu verbergen suchte. Und sie fühlte den Drang, sich zurückzuziehen, von ihm, von dem, was zwischen ihnen war, vor der Stärke und der darin mitschwingenden Bedrohung, die sie für sie darstellte, aber auf der anderen Seite war da ihre Neugier, ihre Faszination des Neuen und dessen, was daraus werden konnte.
Ihre Gedanken und Gefühle konnte er gut lesen - im Allgemeinen hatte sie sich nie Mühe gemacht, sie vor ihm zu verbergen. Dass er die eine Wahrheit erraten hatte, die sie immer so sorgfältig vor ihm geheim gehalten hatte, bestätigte nur, dass er mehr auf sie geachtet hatte, als sie angenommen hatte. Mehr ihrer bewusst, als sie seiner.
Bis jetzt waren ihre Gedanken über Ehe immer abstrakt gewesen, allerdings hatte sie nie an ihn oder einen Mann wie ihn gedacht. Die Umstände hatten sich gegen sie verschworen, ihre Neugier hatte sie dazu verleitet, der Gefahr zu nahe zu kommen, und jetzt hatte sie sich in dem Netz verfangen. Jetzt war es tatsächlich in den Bereich des Möglichen gerückt, dass sie am Ende mit einem Tyrann verheiratet wäre.
Wenn sie auch nur einen Funken Verstand besäße, würde sie seinen Antrag rundweg ablehnen - und weglaufen. Schnell und weit.
Trotzdem war die Vorstellung zu flüchten auf der anderen Seite gar nicht so verlockend, schließlich könnte eine Ehe ja auch gelingen. Das, was zwischen ihnen war, diese machtvolle Anziehung, das, was daraus werden konnte, war zu verlockend, um ihm einfach den Rücken zu kehren und wegzurennen. Wenn sie das tat, würde sie nicht damit, nicht mehr mit sich selbst leben können; eine gemeinsame Zukunft mit ihm würde anders sein, einzigartig - eine Herausforderung.
So, wie sie ihr Leben haben wollte.
Die Aussicht auf eine Ehe mit einem Cynster, ohne dass Liebe dabei war, um den Weg zu ebnen, war nicht länger eine entfernte Möglichkeit, sondern sehr real, wie ein Schwert, das über ihrem Haupt hing. Trotz allem fühlte sie sich nicht von ihm als Mann bedroht. Er war jahrelang ihr ungewollter und unwilliger Beschützer gewesen; ein Rest Trotz in ihr wehrte sich dagegen, ihn in einer anderen Rolle zu sehen.
Sie seufzte. Widersprüchliche Empfindungen rangen in ihr, bauten sich vor ihr auf, wo auch immer sie sich hinwandte. Sie konnte immer noch nicht klarer denken. Das Einzige, was ihr ein wenig Zuversicht gab, war die Tatsache, dass er bereits entschlossen schien, sie zu heiraten, während sie noch zu einer Meinung kommen musste.
Die Veränderung, die ihr Leben in der letzten halben Stunde erfahren hatte, machte sie beinahe schwindelig.
Sie schaute sich um, zwang sich, langsam und ruhig einzuatmen. Irgendwie musste sie ihre Gedanken ordnen, ihren gewohnten Gleichmut finden, unter dem ihr Verstand so zuverlässig scharf arbeitete.
Ihr Blick glitt über die langen Reihen ledergebundener Bücher; sie begann an den Regalen entlangzugehen. Zwang sich, an etwas anderes zu denken, die Buchrücken zu studieren, nach Bekanntem zu suchen. Sich wieder in die Welt zu begeben, in der sie sonst lebte.
Sie ging in die eine Ecke des rechteckigen Raumes, kam am riesigen Kamin vorbei. Die französischen Türen, die in den Garten führten, standen offen. Sie schlenderte an ihnen entlang, bewunderte die
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