Verfuehrt zur Liebe
Netherfield ...«
Sie legte sich eine Hand auf die Brust und schluckte. »Gütiger Himmel!«
»Ganz genau. Und was, wenn Henry dahintergekommen ist?«
Sie hielt seinen Blick einen Moment, dann schaute sie weg.
Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: »Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass ihnen eine Scheidung droht. Für Harold und Catherine und auch Lord Netherfield ist die Vorstellung allein schon erschreckend, mehr als für uns. Für ihre Generation ist das ein unvorstellbarer Skandal, der ein schlechtes Licht über die ganze Familie wirft.
Wir wissen, wie Kitty war, wie gerne sie andere geärgert hat. Wir wissen, dass sie in die Bibliothek gegangen ist, um sich mit jemandem zu treffen, aber nicht mit wem oder warum. Wir wissen nicht, was sie besprochen haben - welches Thema den Mörder dazu getrieben hat, sie für immer zum Schweigen zu bringen.«
Portia sagte nichts, es stand außer Frage, dass sie ihn verstand und ihm zustimmte. Nach ein paar Minuten legte sie ihre Hand in seine und lehnte sich gegen seine Schulter. Er ließ ihre Hand los und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie rutschte dichter an ihn, und er drückte sie.
Sie seufzte. »Kitty hat immer wieder mit dem Feuer gespielt. Es ist kein Wunder, wenn sie sich dabei verbrannt hat.«
Der Lunch wurde in gedrückter Atmosphäre eingenommen. Lord Willoughby hatte ihnen mitgeteilt, dass sie bleiben müssten, bis der Ermittler von Bow Street eingetroffen war. Da dieser für später am Nachmittag erwartet wurde, verbrachten viele Gäste die Stunden nach dem Lunch damit, diskret ihre Abreise für den Abend vorzubereiten.
Neben allem anderem war die vorherrschende Meinung, dass die Glossups in Ruhe gelassen werden sollten, um ihren Verlust zu verarbeiten - ohne die Ablenkung von Hausgästen; alles andere war unvorstellbar.
Der Ermittler traf pünktlich ein - und setzte alle unverzüglich davon in Kenntnis, dass sie es sich besser doch vorstellen sollten.
Inspektor Stokes war ein großer, kräftiger Mann, der Entschlossenheit und Tatendrang ausstrahlte. Zuerst hatte er mit Lord Glossup und Lord Netherfield im Arbeitszimmer gesprochen, ehe er in den Salon geleitet und den anderen Gästen vorgestellt wurde.
Er nickte höflich. Portia fielen seine ruhigen schiefergrauen Augen auf, die sich der Reihe nach auf jeden richteten. Als er sie anschaute, neigte sie grüßend den Kopf, sah, wie Stokes zur Kenntnis nahm, dass Simon auf ihrer Stuhllehne saß und einen Arm auf die Lehne hinter ihr gelegt hatte. Sein Blick glitt weiter zu Simons Gesicht, als dessen Name genannt wurde, er nickte und wandte sich an den nächsten.
Trotz allem war ihr Interesse geweckt - nicht an Stokes als Mann, sondern an Stokes als Ermittler. Wie wollte er den Mörder entlarven?
»Ich nehme an, Mr. Stokes, nachdem Sie uns nun kennen gelernt haben, haben Sie keine Einwände gegen unsere Abreise?«, erkundigte sich Lady Calvin, in deren Tonfall ihr gesellschaftlicher Status als Tochter eines Earls mitschwang.
Stokes zuckte mit keiner Wimper. »Es tut mir leid, Madam, aber bis der Mörder gefunden ist oder ich so weit ermittelt habe, wie es mir möglich ist, muss ich leider darauf bestehen, dass Sie alle« - sein Blick glitt über die versammelten Gäste - »auf Glossup Hall bleiben.«
Lady Calvin verfärbte sich empört. »Aber das ist ja absurd!«
»Allerdings, Sir.« Lady Hammond zupfte an ihrem Schal. »Ich bin sicher, dass Sie es nur gut meinen, aber es steht völlig außer Frage ...«
»Unglücklicherweise, Madam, schreibt das Gesetz es so vor.«
Es gab nichts, woran man in Stokes Ton Anstoß nehmen konnte, aber auch nichts, das ihnen weiterhelfen würde.
Er neigte den Kopf in etwas, das entfernt an eine Verbeugung erinnerte. »Es tut mir ehrlich leid, Madam, aber es geht nicht anders.«
Lord Glossup atmete schwer. »Das ist die Standardvorgehensweise, das begreife ich. Es macht keinen Sinn, darüber zu streiten - und es gibt auch keinen Grund, warum alle überstürzt aufbrechen sollten - abgesehen von ... nun ja, abgesehen davon.«
Portia saß den Archers gegenüber. Mrs. Archer schien immer noch unter Schock zu stehen; es war fraglich, ob sie Nahrung zu sich genommen hatte, seit man ihr gesagt hatte, dass ihre jüngste Tochter erwürgt worden war. Mr. Archer war blass, wirkte aber entschlossen; er saß neben seiner Frau, eine Hand auf ihrem Arm. Bei Stokes Worten war ein schmerzhafter Ausdruck über seine Züge geglitten, jetzt aber räusperte er sich
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