Verfuehrt zur Liebe
ehe er sie stellen konnte. Er schaute wieder auf sein Notizbuch. »Nun gut. Also gingen Sie langsam durch den Raum ...«
Sie fuhr mit ihrem Bericht fort. Als sie zu dem Punkt kam, wo Simon in den Raum stürzte, unterbrach Stokes sie und begann Simon zu befragen.
Es war leichter, Stokes’ Vorgehensweise zu bewundern, wenn sie nicht auf einen selbst zielte. Sie beobachtete und hörte zu, wie er Simon eine detailgetreue Schilderung des Ablaufs entlockte, dann seine Aufmerksamkeit Charlie zuwandte. Stokes war wirklich sehr gut. Sie alle waren gekommen, ihm bereitwillig alles zu erzählen, was sie wussten, trotzdem war eine gewisse Zurückhaltung geblieben, eine Barriere zwischen ihnen und ihm, über die hinweg sie zwar reden, die sie aber nicht überschreiten würden. Stokes war keiner von ihnen.
Sie alle hatten beim Betreten der Bibliothek noch keine endgültige Meinung zu Stokes gehabt. Sie wechselte einen Blick mit Simon, bemerkte Charlies entspanntere Haltung; beide hatten ihren ersten Eindruck von dem »Gentleman von der Bow Street« korrigiert.
Er hätte es unverhältnismäßig viel schwerer gehabt, wenn sie ihm nicht die Hand über die Barriere hinweg reichen würden und ihm halfen zu verstehen, was wirklich vorgegangen war, welche Sorgen die verschiedenen Mitglieder der Hausgesellschaft beschäftigten, welches Durcheinander Kitty mit ihren Ränken gestiftet hatte, ehe sie das mit dem Leben bezahlte.
Stokes selbst war intelligent genug, das zu wissen. Scharf-sinnig genug, jetzt, da er sie besser einschätzen konnte, es offen einzugestehen. Sie waren bis zu dem Zeitpunkt gekommen, an dem andere in die Bibliothek gestürzt kamen und Kittys Tod bekannt wurde. Seine Karte zur Seite legend schaute er auf, ließ seinen Blick eine Weile auf ihnen ruhen, dann fragte er ernst: »Gibt es irgendetwas, das Sie mir erzählen können -irgendeine Tatsache, die Ihnen bekannt ist, einen Grund, den Sie sich denken könnten -, was einen der Gäste oder jemandem vom Personal, vielleicht sogar einen der Zigeuner, dazu hätte bewegen können, Mrs. Glossup zu töten?«
Als sie nicht sogleich darauf reagierten, richtete er sich in seinem Stuhl auf. »Gibt es jemanden, den Sie im Verdacht haben?«
Portia schaute zu Simon. Charlie tat es ihr nach. Simon erwiderte ihren Blick, las ihre Entscheidung und wandte sich an Charlie, der fast unmerklich nickte. Dann sah er Stokes an. »Haben Sie eine Liste der Gäste?«
Nach einer Stunde fuhr sich Stokes mit den Fingern durchs Haar und starrte auf das Netzwerk aus Notizen, die er sich um Kittys Namen herum gemacht hatte. »Hatte die Frau es darauf angelegt, erwürgt zu werden?«
»Wenn Sie sie gekannt hätten, würden Sie es verstehen.« Portias Blick auffangend fuhr Simon fort: »Sie schien nicht in der Lage zu sein, zu sehen, wie ihr Tun auf andere wirkte - sie dachte überhaupt nicht an andere.«
»Das wird nicht leicht werden.« Stokes seufzte, winkte mit seinem Notizbuch. »Ich suche gewöhnlich nach Motiven, aber hier gibt es die im Überfluss, die Gelegenheit für den ganzen Haushalt, es zu tun, aber nur sehr wenig, was uns verraten könnte, wer es wirklich war.«
Er schaute sie fragend der Reihe nach an. »Und Sie sind sich sicher, dass sich niemand das Geringste hat anmerken ...«
Die Tür zur Bibliothek öffnete sich. Stokes fuhr herum, eine steile Falte auf der Stirn. Dann, als er sah, wer es war, wurde seine Miene ausdruckslos, und er erhob sich.
Die anderen taten es ihm nach, als Lady Osbaldestone und Lord Netherfield, die wie ein Paar ältlicher Verschwörer aussahen, behutsam die Tür hinter sich schlossen und dann so leise, wie es zwei schwergewichtigen alten Menschen, die an Stöcken gingen, möglich war, den Raum durchquerten, um sich zu ihnen zu gesellen.
Stokes versuchte, Herr der Lage zu bleiben. »Mylord, Madam - wenn Sie nichts einzuwenden hätten, ich müsste wirklich ...«
»Ach, Unsinn!«, fiel ihm Lady O. ins Wort. »Sie werden nicht auf einmal in Schweigen verfallen, nur weil wir hier sind.«
»Aber ...«
»Wir sind gekommen, um sicherzugehen, dass sie Ihnen alles gesagt haben.« Sie stützte sich auf ihren Stock und fixierte den Ermittler mit ihrem besten Basiliskenblick. »Haben sie Ihnen schon von der Schlange erzählt?«
»Schlange?« Stokes’ Miene verriet nichts, aber er blickte kurz zu Simon und Portia, offensichtlich in der Hoffnung auf Rettung.
Als sie nicht sofort reagierten, wurden seine Augen schmal, und er schaute wieder zu Lady
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