Verfuehrung
wunderschön.«
»Sie ist nicht nur wunderschön, sie ist auch wundervoll, aber leider hat die Dame meines Herzens noch nicht ja gesagt«, meinte Giacomo leichthin, und Calori verschluckte sich beinahe. War das ein Scherz? Mit dem Kaufmannspaar oder mit ihr? Oder konnte es sein, dass es ihm ernst war, nun, so ernst, wie er überhaupt irgendetwas nahm?
»Meine Liebe«, sagte der Kaufmann zu ihr, »wenn Ihre Eltern einverstanden sind, dann sollten Sie den jungen Mann erhören. Wenn man so glücklich ist, wie Sie beide einem vorkommen, dann sollte man schnellstens den Segen der Kirche suchen, ehe man eine Sünde begeht«, schloss er mit einer Mischung aus Wohlwollen und Mahnung. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht in unangebrachtes Gelächter auszubrechen. Es gab keinen Grund, ihre Mitreisenden zu verärgern, die es im Gegensatz zu dem Studenten gut mit ihnen meinten.
Wenn du deine Männerkleidung trügest, dann benähmen sie sich gewiss ganz anders, flüsterte eine Stimme ihr zu, auf die sie gerade jetzt nicht achten wollte.
»Mein Vater ist tot, und meine Mutter … wäre wohl einverstanden, aber wir kennen uns noch nicht sehr lange, und so weiß ich ihr nicht zu sagen, ob es meinem Gefährten hier auch wirklich ernst ist«, sagte sie stattdessen in ihrer bescheidensten Manier. »Sie wissen ja, wie die Leute aus Venedig sind mit ihren ständigen Scherzen.«
Das Paar aus Sinigaglia nickte eifrig.
»Junger Mann, mit dem Herzen von Frauen sollte man keine Scherze treiben«, sagte der Kaufmann nun mahnend zu Giacomo. »Ich hoffe also, es ist Ihnen wirklich ernst.«
Giacomo verzog sein Gesicht in bekümmerte Falten. »Sehe ich so aus, als wüsste ich nicht, was sich gehört?«
Das beantwortete die Frage nicht im Geringsten, und nun richteten sich alle Augen auf Calori, in Erwartung einer Erklärung. Innerlich verwünschte sie ihn und hatte gleichzeitig den widersinnigen Impuls, in Tränen ausbrechen zu wollen. Ihre Beziehung war inzwischen viel zu intensiv, als dass sie länger leugnen könnte, in ihn verliebt zu sein und sich zu wünschen, dass er an ihrer Seite bliebe. Aber das war nicht das Gleiche, wie ihn zu heiraten und darauf zu vertrauen, dass er für den Rest seines Lebens ihr Mann sein würde. So schnell, wie er sich in sie verliebt hatte, konnte er sich auch in eine andere verlieben. Würde es dann auch wieder Griechinnen bei ihm geben?
Aber sie war glücklich gewesen in diesen letzten Tagen, wirklich glücklich. Mit ihm konnte sie zusammen sein, ohne vom Gesetz verfolgt zu werden, und er zwang sie trotzdem nicht in eine Form hinein, die ihr nicht passte. Und war es nicht gerade in dieser Woche die richtige Entscheidung gewesen, mutig zu sein und dem Augenblick zu folgen statt nur der Vorsicht und Vernunft?
Die Vernunft gebot jeder Frau, einen möglichst reichen Mann zu heiraten, damit sie versorgt war. Doch reiche Männer achteten auf ihre Würde und ihren Stand und waren bestimmt nicht einverstanden damit, wenn ihre Frauen auf allen wichtigen Bühnen der Welt stehen wollten. Reiche Männer hatten sie bisher auch nicht zum Lachen gebracht oder ihren Körper auf ganz andere Weise zum Singen. Reiche Männer würden die Familie Lanti sicherlich verabscheuen und ihr verbieten, sie weiter als die Ihre zu betrachten.
Falier war ein reicher Mann gewesen, doch sie hatte lieber ihre Mutter verlassen, als ihn zu heiraten.
»Gerade jetzt, in diesem Augenblick«, sagte Calori in das Rattern der Kutsche hinein, »kann ich mir nicht vorstellen, je einen anderen zu heiraten.«
Das Kaufmannspaar lachte und applaudierte. Doch Giacomos Augenbrauen zogen sich unwillkürlich zusammen, und sie wusste, dass es ihm keineswegs entgangen war, wie auch sie sich um eine Beantwortung der eigentlichen Frage gedrückt hatte, obwohl er sie an sich zog und küsste.
Vielleicht waren sie einfach beide zu gut darin, immer auch das Ungesagte zu hören.
Am Stadtrand von Pesaro erwartete sie, als sie alle ausstiegen, ein Unteroffizier mit zwei Füsilieren, um ihre Pässe zu inspizieren. Das war Calori schon öfter geschehen, und so war sie nicht beunruhigt, als sie das Dokument vorwies, welches sie als Bellino, Sohn von Beppo und Teresa Lanti, auswies. Ihre weibliche Kleidung sorgte für ein paar betretene Blicke, doch jeder wusste, dass Kastraten manchmal Frauenkleidung trugen, und so sagte der Unteroffizier nichts weiter, sondern kräuselte nur die Lippen, nachdem er ihren Pass gelesen hatte.
Sie würde einen neuen
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