Verfuehrung
Kardinals. Er war nicht erbaut davon, dadurch auf einmal von einem aufgebrachten Vater als Mädchenverführer bezeichnet zu werden, wo er doch überhaupt nichts von ihr gewusst hat.«
Calori konnte nicht anders. Sie rollte die Augen. Es war ihr bei seiner Beichte erneut nach Lachen und Weinen zumute.
»Sie wollte doch nicht mit mir durchbrennen!«, protestierte Giacomo. »Sie brauchte einfach nur einen Ort, um sich mit ihrem Liebsten zu treffen, kannte mich durch ihren Vater, und sie tat mir leid, also …«
»Als jemand, der selbst einmal durchgebrannt ist, weiß ich solches Mitleid zu schätzen, aber was machen wir nur, wenn der Kardinal dir keinen neuen Pass schickt?«
»Mir wird schon etwas einfallen.«
Nein, dachte Calori, mir fällt etwas ein. Es gab in Pesaro eine einflussreiche Person, die sie kannte, und das war nicht der hiesige Impresario. Sie schluckte.
»Dann sollte ich mich hier wohl nach einem Zimmer umsehen«, sagte sie, ohne ihm zu verraten, was ihr gerade durch den Kopf ging.
»Nein«, sagte Giacomo zu ihrer Überraschung, zog sie näher und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich traue diesem Unteroffizier zu, dich noch im Nachhinein ebenfalls zu arretieren, wenn er glaubt, dass du ihm Schwierigkeiten machst, und wer weiß, was geschieht, wenn er herausfindet, dass Bellino dein Künstlername ist!« Etwas lauter fügte er hinzu: »Fahr nach Rimini weiter. Lass sie dort noch einmal in den Genuss von Bellinos Stimme kommen. Ich hole dich dort ab, sobald ich meinen neuen Pass habe, und dann fahren wir nach Venedig weiter, wie wir es geplant hatten, ich verspreche es dir.«
Ihr war ebenfalls ganz und gar nicht wohl bei der Vorstellung, in eine Zelle gesperrt zu werden und Wachposten um sich zu haben, die vielleicht eines Tages entdecken würden, dass sie eine Frau war. Sicher war es am besten, wenn sie so tat, als reise sie ab, die Soldaten damit loswurde und dann die Contessa aufsuchte. Aber das konnte sie ihm im Beisein der Straßenwachen natürlich nicht sagen. Andererseits wollte sie nicht, dass er glaubte, sie wäre am Ende froh, ihn einem unsicheren Schicksal zu überlassen.
»Ich lasse dich nicht im Stich«, versicherte sie nachdrücklich.
»Dann warte auf mich«, sagte er ernst. »Oder traust du mir immer noch nicht und glaubst, dass ich in zehn Tagen nicht mehr zu meinem Wort stehe?«
Welches Wort, dachte Calori. Hatte er denn den Heiratsvorschlag am Ende wirklich ernst gemeint? Warum hämmerte jetzt ihr Herz wie nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt? In jedem Fall waren seine Worte eine neue Herausforderung, und es sah ihm ähnlich, eine dumme Passkontrolle dafür zu verwenden.
»Dann lass uns das herausfinden«, sagte sie und würgte einen Kloß die Kehle hinunter, »ob wir einander in zehn Tagen selbst das Ungesagte immer noch glauben.«
Der Palazzo, in dem die Contessa residierte, befand sich in der Nähe der herzoglichen Residenz, welche die Sforza in Pesaro gebaut hatten, und erinnerte Calori mit seinen Arkaden ein wenig an Bologna. Sie unterdrückte die Erinnerung. Jetzt durfte sie alles, nur nicht rührselig werden. Sich hinter einigen Büschen wieder in Männerkleidung zu begeben und danach samt ihrem Reisekoffer wieder nach Pesaro zu wandern hatte sie mit Schweiß überzogen, aber sie war nicht erneut kontrolliert worden. Es war nicht weiter schwer gewesen, sich danach zum Palazzo der Contessa durchzufragen. Als sie aber dem Pförtner gegenüberstand, war sie sich durchaus bewusst, dass sie eher wie ein Lakai auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle wirkte denn wie ein gefeierter Sänger, der geruhte, demnächst in Pesaro zu gastieren. Immerhin schien der Mann schon einmal ihren Namen gehört zu haben.
»Mir wurde gesagt, dass Sie uns nach den Osterfeiertagen aufsuchen«, meinte er zurückhaltend.
»So ist es auch. Ich bin nur auf der Durchreise nach Rimini und hielt es für angebracht, der Contessa meine Aufwartung zu machen«, gab Calori so erhaben und unbekümmert wie möglich zurück. Dem Anschein nach wirkte sie überzeugend, denn der Pförtner bat sie herein und versprach, auf ihren Koffer zu achten. Er wollte gerade die Klingel betätigen, um einen höherrangigen Bediensteten zu rufen, als er ein Mädchen den Innenhof durchqueren sah, das Calori vage bekannt vorkam.
»Maria!«, brüllte der Pförtner.
Das Mädchen drehte den Kopf, und Calori fiel ein, um wen es sich handelte: um die Zofe der Contessa, die ihre Herrin nach Ancona begleitet hatte. Sie schien ein
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