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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Angiola, ohne zu zögern, übernahm. Sie hatten die leichte Mahlzeit noch nicht beendet, als der Unteroffizier zurückkehrte.
    »Ihr Pass ist in Ordnung«, sagte er zu Calori, »Sie können weiterreisen. Aber Sie – was haben Sie mit Ihrem Pass gemacht?«
    »Ich habe ihn verloren.«
    »Einen Pass verliert man nicht, sagt mein Kommandant.«
    »Man verliert ihn, denn ich habe ihn verloren. Ich versuche, es philosophisch zu betrachten. Was wir haben, können wir verlieren, aber doch niemals, was wir sind.«
    »Machen Sie sich über mich lustig, Herr?«, fragte der Unteroffizier drohend.
    »Der Abbate Casanova«, warf Calori rasch ein, den Titel betonend, »ist der persönliche Sekretär des Kardinals Acquaviva und mit einer Botschaft von ihm nach Konstantinopel unterwegs.«
    »Und da liest er schon auf dem Weg zu den Türken schöne Eunuchen auf, wie?«, fragte der Unteroffizier spöttisch.
    Sie hätte nie geglaubt, dass ihr erstes öffentliches Bekenntnis dieser Art in einer solchen Situation geschehen würde.
    »Ich bin kein …«, setzte Calori an, als Giacomo sie unterbrach und ihr einen warnenden Blick zuwarf.
    »Leugne nicht, schön zu sein«, sagte er hastig zu ihr. »Der ehrenwerte Offizier hier hat schließlich Augen im Kopf.«
    Fast schon zu spät begriff sie, dass sie erst noch herauszufinden hatte, was die Soldaten mit Menschen ohne Pässen taten, ehe sie gestand, dass ihr Papier eine Lüge war. Wenn Giacomo schon in Schwierigkeiten steckte, dann musste sie ihm helfen, und das ging nicht, wenn sie auch festsaß.
    »Darf ich fragen, wer Ihr Befehlshaber ist?«, erkundigte sich Giacomo mit einer beneidenswerten Ruhe bei dem Unteroffizier.
    »Wir stehen unter dem Befehl des Herrn de Gages.«
    Der Name kam ihr bekannt vor, und sie sah auch in Giacomos Augen ein Wiedererkennen aufblitzen.
    »Wie es der Zufall will«, sagte Giacomo aufgeräumt, »haben wir erst vor kurzem die Freundschaft mit Don Sancho Pico erneuert, der ebenfalls unter dem Befehl von Monsieur de Gages steht und das Heer des Herzogs von Modena versorgt. Er wird gewiss für mich bürgen.«
    Leider zeigte sich der Unteroffizier weiterhin unbeeindruckt.
    »Das kann jeder behaupten.«
    »Aber würde auch jeder den Namen Don Sanchos kennen?«, fragte Calori. »Immerhin ist er kein berühmter Feldherr, wie euer Befehlshaber.«
    »Nein, nur ein Spanier, der wie die anderen in Kastilien hätte bleiben sollen, statt unseren Leuten hier die einträglichen Ämter wegzuschnappen«, versetzte der Unteroffizier ungnädig. »Hören Sie, wenn Sie weiter Theater machen, dann bleiben Sie auch hier. Was Sie betrifft, Signore Abbate, die Kerle, die durchs Land ziehen, sich als Priester ausgeben und gutgläubige Menschen ausnehmen, die kann ich bald nicht mehr zählen. Vielleicht arbeiten Sie ja wirklich für einen Kardinal. Das mag sein. Wenn sich das herausstellt, dann werde ich mich entschuldigen. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht. Sie bleiben hier unter Arrest, bis aus Rom unter dem von Ihnen angegebenen Namen ein neuer Pass für Sie eintrifft. Das Unglück, einen Pass schon auf einer so kurzen Reise zu verlieren, stößt nur einem Bruder Leichtfuß zu, und der Kardinal wird daraus bestimmt seine Lehren ziehen, solchen Leuten keine Aufträge mehr anzuvertrauen, das bleibt Ihr Risiko! Wenn ich aber binnen zehn Tagen nichts aus Rom höre, dann betrachte ich Sie als Betrüger und werde Sie entsprechend behandeln. In der Festung Santa Maria haben wir schon ganz andere Kerle arretiert, die uns jetzt als Arbeitskräfte beim Schanzen helfen dürfen.«
    »Dann lassen Sie mich jetzt gleich an den Kardinal schreiben«, bat Giacomo, und es wurde ihm bewilligt. Während er Tinte, Feder und Papier aus seinem Koffer holte, fragte Calori verstört: »Soll ich nach Ancona zurückkehren, um Don Sancho um Hilfe zu bitten? Oder nach Sinigaglia, um nach dem Pass zu suchen?«
    »Wir wissen nicht, ob Don Sancho noch in Ancona sein wird, und der Pass könnte überall verlorengegangen sein.«
    »Wird denn der Kardinal …«
    Giacomo hob die Schultern. »Ich hoffe es«, antwortete er. »Wir sind im Guten auseinandergegangen, und er hat mir sogar einiges Geld zum Abschied geschenkt. Allerdings …« Er zögerte. »Er ist etwas empfindlich und sieht es gar nicht gerne, wenn man seinen Namen ohne Autorisierung benutzt. Der Grund, warum ich Rom verlassen musste, war die Tochter meines Französischlehrers, die sich bei mir versteckt hatte. Das heißt, bei ihm. Im Palazzo des

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