Verfuehrung
nichts hinterlassen, falls Cecilia und Marina nicht durch ein Wunder reich heiraten konnten, würde keines ihrer Kinder je so viel verdienen wie Bellino.
»Du hörst auf mich, weil ich die Vernünftigere bin«, sagte Calori abrupt, »und als Älteste nun auch das Familienoberhaupt.«
Mama Lanti stieß einen Seufzer aus. Petronio, der sich bisher der Stimme enthalten hatte, lächelte kaum merklich. Cecilia und Marina sprachen gleichzeitig.
»Bist du nicht!«
»Oh, wirklich!«
»Ja«, sagte Calori fest, »das bin ich. Weil ich den größten Teil des Familieneinkommens verdiene und weil ich euch nicht im Stich lassen werde. Bis sich daran etwas ändert, werdet ihr euch alle nach mir richten, wie man das für das Oberhaupt der Familie zu tun pflegt.«
Mama Lanti öffnete und schloss ihren Mund wieder. Die Furcht in ihrem Gesicht machte Begreifen und einer Art Respekt Platz. Sie verstand, dass dies Caloris Bedingungen waren, und konnte damit leben. Aus ihrem Klammergriff wurde ein Tätscheln von Caloris Hand.
»Dann soll es so sein, mein Täubchen. Dann soll es so sein.«
»Aber …«, begann Marina. Sie schob die Unterlippe vor und verkreuzte die Arme ineinander, doch sie sprach nicht weiter.
»Hat das neue Familienoberhaupt bereits irgendwelche Wünsche oder gar Befehle?«, fragte Petronio mit spöttischer Miene.
»Ich mache mir Sorgen um Giacomo«, sagte Calori offen. »Und ich muss mich mit Don Sancho in Verbindung setzen. Aber wenn ich hier täglich auftrete, kann ich nicht nach Pesaro gehen, ganz abgesehen davon, dass der Grund, warum ich mir Sorgen um Giacomo mache, es auch für keine gute Idee erscheinen lässt, selbst noch einmal in Pesaro aufzukreuzen.«
»Das ist kein Mann, in den man sich verliiiiiiieeeeebt«, sang Cecilia leise, aber deutlich vor sich hin, und Calori musste zugeben, dass sie sich diesen Spott verdient hatte.
»Also?«, hakte Petronio nach.
»Also möchte ich, dass Mama mit einem Teil meines neuen Gehalts nach Pesaro geht, um dort jemanden zu bestechen, damit sie Giacomo gehen lassen, ob er nun einen neuen Pass hat oder nicht: Und du sollst nach Ancona reisen, um zu fragen, welchen Ort Don Sancho dem Wirt dort als nächstes Ziel angegeben hat, falls ihm etwas nachgesandt werden muss, und ihm so einen Brief von mir zuleitest.«
»Ich dachte, dass der Abbate Geld für uns ausgibt, nicht wir für ihn«, sagte Mama Lanti unglücklich.
»Er hat bereits Geld für uns alle ausgegeben. Für jeden von uns.«
»Er hat ja auch immer etwas dafür gekriegt«, sagte Marina, deren Vernarrtheit in Giacomo offenbar sehr schnell nachgelassen hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass er kein richtiger Abbate und vor allem mittellos war. Cecilia schnalzte missbilligend mit der Zunge.
»Sei doch nicht so. Er war wirklich nett. Ich finde auch, dass wir ihm helfen sollten.«
»Aber kann denn Petronio nicht beides machen?«
Calori befahl sich, trotz ihrer stetig wachsenden Sorgen ruhig zu bleiben und nicht einfach zu schreien, als Oberhaupt sei das eben ihr Wunsch, und damit basta. Nach all den Jahren in ihrer neuen Familie kannte sie Mama Lanti. Wenn sie die Gründe verstand, fand sie immer auch einen Weg.
»Wenn Petronio das Pech hat, an jemanden zu geraten, der sich nicht bestechen lässt, dann verhaften sie ihn. Aber einer Frau, und gar einer Frau, die … nicht mehr ganz jung ist, traut kaum jemand solche Pläne zu. Zudem braucht sie nur in Tränen auszubrechen, wenn sie an so jemanden gerät, und ihn bitten, an seine eigene alte Mutter daheim zu denken, und sie hätte das alles nur für ihren Sohn Giacomo getan, er soll doch Verständnis haben. Das wirkt bestimmt. Petronio hat diese Möglichkeit nicht.«
Glücklich schaute Mama Lanti nicht drein, aber ihre Stirn glättete sich, und sie nickte langsam. »Das stimmt.«
»Dann wirst du gehen, Mama?«
Wieder nickte Mama Lanti, seufzte und versprach es. Später begleitete Petronio Calori zum Theater, wie er es in den letzten zwei Jahren immer getan hatte. Sie fühlte sich ungewohnt scheu und war gleichzeitig froh, dass sie die Gelegenheit hatte, allein mit ihm zu sprechen.
»Du hast dir das wirklich gut überlegt«, sagte Petronio, was halb wie eine Feststellung, halb wie eine Frage klang.
»Das mit Ancona und Pesaro. Ja. Ich habe da einen Fehler gemacht und hätte erst gar nicht zu der Contessa gehen sollen. Noch ein Fehler darf nicht sein, und dich will ich dort ganz gewiss nicht in eine ähnliche Gefahr bringen. Soldat wirst du dann
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