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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Baron Vais bezeichnete, ausrichten, sie und ihre Schwestern würden ihn am nächsten Tag gerne zum Tee empfangen.

    Vais stellte sich als um die vierzig heraus, verdrossen, hier zu sein statt in Wien, und nach der Art zu urteilen, wie er Marina und Cecilia nach der Begrüßung nicht mehr die geringste Aufmerksamkeit schenkte, mehr an männlichen als an weiblichen Formen interessiert. Er machte jedoch keine Anstalten, zudringlich zu werden. Ob das nun an der Gegenwart der beiden Mädchen lag oder an seinen guten Manieren: Calori war dankbar und aufrichtig interessiert, als er ihr von den großen Kastratensängern berichtete, die er in Wien am kaiserlichen Hof gehört hatte. Als er auf Appianino zu sprechen kam, stellte sie fest, dass es sie mehr freute zu wissen, dass dieser unvergessen blieb, als dass es schmerzte, an seinen Tod erinnert zu werden.
    Trotzdem vergaß sie nicht, warum sie überhaupt bereit gewesen war, den Baron zu empfangen. »Da nun Frieden herrscht«, sagte sie, »kann es doch sein, dass man Sie bald nach Wien zurückholt.«
    Der Baron strich sich über den dunkelblonden Schnurrbart, der nicht sehr gut zu seiner weißen Perücke passte. »Schön wäre das schon, aber der Preuße, der verdammte, wird das nicht zulassen.«
    »Sie müssen mich entschuldigen, aber ich weiß wenig von Politik. Welchen Preußen meinen Sie?«, fragte Calori mit geweiteten Augen und stieß unter dem Tisch Cecilia, die hinter ihrer Hand gähnte, mit den Füßen an.
    »Den preußischen König Friedrich. Unserer Kaiserin ist es gelungen, sich mit den Briten zu verbünden, und jetzt macht er den Franzosen und den Spaniern Avancen, weil er Angst hat, dass Maria Theresia ihm Schlesien wieder wegnimmt, das er uns gestohlen hat, der protestantische Dieb, der elende Hund. Ich habe selbst in Schlesien gekämpft, ehe ich hierherversetzt wurde, im letzten Krieg, und der Preuße …«
    Er verlor sich in langen, ausführlichen Beschreibungen des schlesischen Kriegs, was Calori an Giacomos Sonett erinnerte, in dem sich das weibliche Schlesien darüber beschwerte, einem Männerliebhaber in die Hände gefallen zu sein. Sie musste darum kämpfen, weiter ein ernstes Gesicht zu machen. Gleichzeitig war ihr aber auch nach einem Aufschrei zumute. Sei gesund und munter und bald hier, Giacomo, dachte sie. Bitte. Bitte.
    »Aber wenn es wieder Krieg in Schlesien gibt, dann verstehe ich nicht, warum man einen Helden wie Sie hier postiert«, warf sie ein, als er zwischendurch Luft holte. »Nicht dass ich mich nicht selbstsüchtig darüber freue. Es ist eine Ehre, von einem Mann gehört zu werden, der mit den Größten meiner Art vertraut ist.«
    »Die Ehre ist ganz meinerseits«, strahlte er. »Aber ich muss zugeben, dass es gute Gründe gibt, warum wir erfahrene Männer hier haben sollten. Wenn der Preuße es schafft, die Spanier auf seine Seite zu ziehen, dann werden die Neapolitaner folgen, ganz gleich, ob sie sich nun als unabhängiges Königreich ausgeben oder nicht, und sie werden versuchen, uns hier eins auszuwischen.«
    Mittlerweile wirkten sowohl Marina als auch Cecilia so, als ob sie kurz vor dem Einschlafen stünden, also trat Calori diesmal mit beiden Füßen nach ihnen, und das empörte Aufschreien links und rechts von ihr klang wie Angstschreie. »Wirklich!«, fügte sie selbst hinzu, weil Bellino als Kastrat nicht ganz so verängstigt wirken sollte. »Krieg hier? Etwa in Rimini selbst? Sollte ich meine Schwestern lieber anderswo in Sicherheit bringen? Ihre Männer, Baron, sind natürlich über jeden Zweifel erhaben, aber diese Spanier …«
    »Keine Sorge«, versicherte er ihr und warf sich in die Brust. »Wir haben erst heute einen Trupp nach Pesaro geschickt, damit uns sofort gemeldet wird, wenn sich dort etwas tut. Ich würde Sie rechtzeitig informieren. Ich kann Ihre Gefühle verstehen; auch ich habe Schwestern daheim.«
    »Mein Engagement hier dauert nicht mehr lange, wenn ich mich nicht auf einen neuen Vertrag einlasse. Ich bin noch unschlüssig, was ich tun soll. Gibt es Gegenden, die ich Ihrer Meinung nach auf jeden Fall meiden sollte?«, fragte sie mit gesenkter Stimme und beugte sich vor, um ihm etwas von der heißen Schokolade nachzuschenken, die Marina aus dem Kaffeehaus geholt hatte.
    »Nun«, begann Vais, zögerte und hielt seine Tasse in der Hand, ohne etwas zu trinken.
    »Ich bitte nur um Ihre Meinung«, sagte Calori unschuldig. »Um meine Schwestern zu schützen.«
    Vais drehte die Tasse in seiner Hand, dann gab er

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