Verfuehrung
haben, dass Sie ein prima Kumpel sind.«
Log der Mann? Dafür konnte Giacomo keinen Grund erkennen. Ihm wurde übel, je länger er darüber nachdachte. Trotzdem bemühte er sich um ein unbewegtes Gesicht.
»Und darf ich fragen, wie ich mir die Ehre dieser Warnung verdient habe?«
Bepe grinste. »Zinsen für die Zukunft. Außerdem haben Sie nichts gesagt, wenn ich eine Karte mal doppelt hatte. Natürlich sind wir Neapolitaner in allem besser als ihr Venezianer, aber ihr Lagunenleute kommt viel herum, und es kann nie schaden, in einer heiklen Situation einmal einen Verbündeten zu haben, wenn man ihn braucht. Wie ich Ihnen das gerade beweise.«
Mit leicht krächzender Stimme fragte Giacomo: »Ich nehme an, Ihr Beweis dehnt sich nicht darauf hinaus, mir bei der Flucht zu helfen?«
»Tut mir leid«, sagte der andere mit einem Achselzucken, »aber erstens würde das beweisen, dass Sie nicht einfallsreich genug sind, um einen guten Verbündeten abzugeben, und zweitens habe ich hier meine … Geschäfte noch nicht abgeschlossen. Sie sind gewarnt; und das war das letzte Wort, das ich in dieser Garnison mit Ihnen gewechselt habe. Viel Glück!«
* * *
»Ein Mädchen«, sagte Melani fassungslos. »Ein Mädchen!«
»Eine Frau«, gab Calori zurück, denn gerade jetzt fühlte sie sich alles andere als mädchenhaft. Melani war der Erste in Rimini, der von ihr die Wahrheit hörte, denn noch vor jedem anderen war er derjenige, dem sie diese Wahrheit schuldete. Er trat einen Schritt zurück und wankte. Da er bei seinem Gewicht nie leicht aufstehen konnte, wenn er einmal umfiel, ergriff sie besorgt seinen Arm, doch er knurrte sie an, ohne sie abzuschütteln.
»Wie konntest du – wie konnte Appianino …«
»Er hat an meine Stimme geglaubt, und er wollte, dass wir zusammen sein können.«
»Sag lieber, es war ihm gleich, aus unser aller Leben einen Witz zu machen«, ächzte Melani.
»Aber Maestro, das …«
»Ein Stuhl! Hilf mir um Himmels willen, mich zu setzen, und dann lass mich los, du Betrügerin.«
Das traf sie. »Sie haben ebenfalls an meine Stimme geglaubt, Maestro«, sagte sie fest. »Ich kann nicht weniger als gestern, und meine Stimme ist nicht geringer, nur weil ich keinen Schwanz mehr zwischen den Beinen habe«, schloss sie mit einer absichtlichen Grobheit, denn wenn sie in den letzten Jahren eines gelernt hatte, dann, dass Tränen und Bitten um Verständnis bei Melani zu nichts führten.
Mit seiner freien Hand winkte er ab. »Das weiß ich«, entgegnete er düster. »Darum geht es ja auch. Weißt du, warum der Primo Uomo immer mehr gilt als die Prima Donna an Opernhäusern, wo beide auftreten? Warum man uns Kastraten immer mehr bezahlt?«
»Weil Gott den Mann zuerst erschaffen und uns dem Manne untertan gemacht hat«, sagte Calori ausdruckslos. Melani knurrte noch einmal und ließ sich von ihr zu dem breiten Stuhl führen, der eigens für ihn geschreinert worden war. Ächzend sank er darauf nieder.
»Weil die Stimme eines Kastraten eine viel größere Spannweite hat, wenigstens zumeist. Deswegen schreiben die Komponisten auch ihre schönsten und schwierigsten Partien immer für Kastraten, trauen es Kastraten zu, ihre Themen unvergleichlich aufregend zu improvisieren. Wenn bewiesen wird, dass eine Frau da mithalten kann, was glaubst du denn, wie lange es noch dauert, bis die Komponisten zu euch Weibern übergehen, zumal die meisten von ihnen sowieso lieber unter eure Röcke wollen als uns an die Wäsche?«
Daran hatte sie noch überhaupt nicht gedacht. Aber er hatte recht. Mehr als recht! Das wäre ein völliger Umbruch in der Musik. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie ein Komponist ihr Arien auf den Leib schrieb, so wie Broschi für seinen Bruder, den großen Farinelli, wie Händel für Caffarelli und Senseni. Es wäre ein Traum, kein Alptraum, und ihre Augen mussten, bei dem Gedanken an solche Möglichkeiten, stärker als je zuvor leuchten, denn Melani rümpfte die Nase.
»Weiber!«
»Maestro«, sagte Calori versöhnlich, denn sie wollte nicht im Zwist mit ihm auseinandergehen, »es ist mitnichten so, dass jeder Sopran die gleiche Bandbreite wie eine Kastratenstimme hat. Eher selten, sehr selten. Bass, Bariton, Tenor bleiben bestimmt auch weiterhin eine Männerdomäne.«
»Was kümmern mich die Bässe! Bei denen hat man nie das Messer gewetzt. Schau mich an, Bell… Schau mich doch an, Weib. Wozu, frage ich dich, wozu? Ich behaupte nicht, dass ich ein Adonis geworden wäre, aber so einen
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