Verfuehrung
hast«, sagte er langsam. »Nur dann.«
»Ich habe Angebote aus Venedig und Neapel so gut wie sicher, und solche aus Wien und Dresden werden folgen«, übertrieb sie und dachte dabei an Don Sanchos Hilfe. »Da wäre es doch wirklich schade, wenn ich mich von Rimini verabschiede, ohne meinen Vertrag hier erfüllt zu haben.«
»Also willst du auch noch, dass ich hier wissentlich für dich lüge. Und in Pesaro, nach Ostern?«
»Was ist schon Pesaro, wenn man Venedig und Neapel haben kann«, entgegnete Calori mit einer wegwerfenden Geste.
»Man hat dich doch nicht als Frau erkannt in Pesaro?«, fragte Melani misstrauisch.
»Gewissermaßen.«
»Herrgott noch mal!«
»Ich glaube auch nicht, dass die Contessa mich je wieder protegieren wird«, fügte sie hinzu, um das klarzustellen. Melanis dünne Augenbrauen zogen sich sofort zusammen.
»Aber aus Ancona hast du geschrieben, dass die Contessa ganz hingerissen von Bellino wäre. Das hat mich überhaupt erst in die Lage versetzt, hier so einen günstigen neuen Kontrakt mit dem Direktor auszuhandeln, da er wusste, dass man dich in Pesaro ebenfalls haben will. Auch ich habe von Donna Giulia gehört; man macht sie sich besser nicht zur Feindin. Jedenfalls nicht, ohne ebenfalls einflussreiche Freunde zu haben, welche die ihren kompensieren.«
»Einflussreiche Freunde gewinnt man immer dann, wenn man berühmt ist«, gab Calori bedeutsam zurück und zerbrach sich nicht zum ersten Mal den Kopf, wie sie Don Sancho erreichen sollte, ohne in den Tagen nach Ostern in Pesaro zu sein. »Was die Contessa betrifft, so ging es ihr ohnehin nicht um Bellinos Stimme. Sie suchte bei mir ganz andere Talente«, gab sie zu.
»Ah.« Melani schwieg eine Weile. »Nun«, fuhr er schließlich fort, »das kommt vor. Dann ist es ja ein Glück, dass du wieder hier in Rimini bist. Ich habe da ein paar Geschichten gehört, die … nun, es ist einfach ein Glück.«
Diese Worte bewiesen, dass er nach wie vor ihr Freund war, und beinhalteten ein Versöhnungsangebot, das sie glücklich gemacht hätte, wenn ihre Gedanken nicht gleichzeitig zu Giacomo geflogen wären. Bisher war sie davon ausgegangen, dass die Contessa ihn ignorieren würde oder, wenn sie überhaupt an ihn dachte, zufrieden war, den Mann, für den Calori gebeten hatte, als Gefangenen zu wissen, nicht ahnend, dass ihre eigene Küche ihn versorgte. Nun fragte sie sich, ob Donna Giulia wütend genug war, um mehr zu tun. Gewiss nicht. Calori durfte sich nicht zu viel einbilden; gewiss waren ihr bissiger Satz und die Enthüllung ihrer Weiblichkeit nicht mehr als ein lästiger Fliegenstich für die Contessa, die sich ansonsten alle Wünsche erfüllen konnte, die sie je gehabt hatte oder haben würde.
»Was für Geschichten haben Sie von ihr gehört?«
* * *
Die Familie Lanti war nur einen halben Tag später als Calori in Rimini eingetroffen, und Mama Lanti war weder über die Nachricht, das Ende Bellinos sei gekommen, noch über die Ereignisse von Pesaro sehr glücklich.
»Du gibst ein schönes, sicheres Einkommen auf für ein Glücksspiel«, sagte sie zu Calori.
»Sicher war mein Leben auch bisher keineswegs. Ich musste um jedes Engagement kämpfen, und das wird als Frau nicht anders sein.«
»Aber«, sagte Mama Lanti traurig, »bisher war es so, als sei mein Junge noch am Leben. Jetzt ist er endgültig tot.«
Calori ergriff ihre Hand und wollte sagen, wie leid ihr das tue, aber Marina fiel ihrer Mutter wütend ins Wort.
»Bisher konnten wir uns darauf verlassen, dass du uns nicht im Stich lässt, weil du unser Bruder warst. Doch wenn du nicht unser Bruder bist, dann hast du uns gegenüber keine Verpflichtungen, und Mama hat Angst, dass du uns nun gegen den Abbate eintauschst. Die ganze Fahrt hierher hat sie davon nicht aufhören wollen, seit Petronio sie wegen unseres richtigen Bruders zur Rede gestellt hat.«
»Marina!«, rief ihre Mutter empört.
»Wenn es doch stimmt.«
»Wenn du nicht unser älterer Bruder bist«, sagte Cecilia, »dann brauchen wir auch nicht mehr auf dich zu hören, oder?«
Calori schaute von einer zur anderen. Mama Lanti klammerte sich geradezu an ihre Hand, und ihr Gesicht verbarg nur unzulänglich ein Gefühl, das Angst war. Sie dachte an das, was ihr Mama Lanti über ihre bettelarme Kindheit erzählt hatte. Armut war Mama Lantis lebenslange, große Furcht. Armut bedeutete oft genug Verhungern. Die einzige Versorgung einer Witwe im Alter waren das Erbe ihres Gatten und ihre Kinder. Doch Beppo hatte ihr
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