Verfuehrung
scheint es mir, dass wir uns kennen. Nannetta?«, fragte er neckend. »Angela? Teresa? Lucia?«
Doch noch während er scherzte, spürte sie, wie er sie verzweifelt festhielt und Schauder durch seinen Körper glitten. Angenehm konnten seine letzten Tage nicht gewesen sein. Nun, da sie ihn in vorläufiger Sicherheit wusste, wich das nagende Schuldgefühl von ihr, für seine Lage in Pesaro mitverantwortlich zu sein, und die Zukunft war wieder voller Möglichkeiten. Sie fühlte sich federleicht und in der Lage, es mit allem und jedem aufzunehmen. Gleichzeitig musste sie sich zurückhalten, um Giacomo nicht gleich hier und vor aller Augen auf jeden Flecken seiner wundersam verschonten Haut zu küssen. Die Welt war wieder schön. Zwar hatte sie sich gerade so gut wie verpflichtet, für Don Sancho mehr zu tun, als zu singen, falls er ihr nach Neapel und später zu weiteren Opernbühnen half – und sie tat es, weil sie für Giacomo, ihre Familie und Maria sorgen musste –, aber gerade jetzt fühlte Calori sich allem gewachsen.
»In Ancona hat er besser ausgeschaut«, flüsterte Marina Cecilia zu, eine Bemerkung, die dennoch alle hörten. Eine verlegene kleine Pause entstand, bis Giacomo den Kopf zurückwarf und lachte.
»Das hoffe ich doch! In Ancona trug ich meine beste Abbate-Kleidung und hin und wieder eine teure Perücke. Wenn diese Ausstaffierung sich nicht gelohnt hätte, dann wäre ich von meinem Schneider in Rom und meinem Barbier in Venedig schändlich betrogen worden.«
Erleichtertes Gelächter pflichtete ihm bei, und Calori dachte einmal mehr, dass er eine beneidenswerte Gabe dafür hatte, die Menschen für sich einzunehmen und jegliche Befangenheit zu vertreiben.
»Obwohl ich von nun an mehr Frauenkleider tragen werde«, sagte sie, »kann ich mich bei dir gar nicht gebührend bedanken. Mein Überrock und meine Hosen sind für dich einfach zu klein.«
»Das will ich auf keinen Fall«, sagte er unerwartet heftig, und erneut machte sich Verlegenheit breit. Giacomo fing sich wieder und meinte lächelnd:. »Nein danke. Du bist zu schön in allem, was du trägst, mein Schatz, als dass ich deine Sachen mit meinem Klappergestell verunzieren möchte, selbst wenn das ginge.«
Sie dachte daran, wie sie beide die Rollen getauscht hatten, bis hin zu dem Moment, als er ein Kleid trug, und was für ein erregender und intimer Moment das gewesen war. Vielleicht dachte er auch daran und wollte die Erinnerung nicht vor ihre versammelte Familie zerren. Das hätte sie wissen müssen. Calori biss sich auf die Lippen.
Petronio, der sie beobachtet hatte, bot seine größte Hose und Weste an, was Giacomo dankend annahm. Während die beiden ins Schlafzimmer verschwanden, damit Giacomo sich abtrocknen und umkleiden konnte, warf Mama Lanti Calori einen bedeutungsvollen Blick zu. Calori tat so, als bemerke sie nichts.
»Der Schmelz ist weg von der Blüte«, sagte Mama Lanti.
»Er hat ein paar harte Tage hinter sich, und es war nicht diplomatisch, ihm meine alten Kleider anzubieten.«
»Der Schmelz ist weg«, beharrte Mama Lanti. »Du bist keine geheimnisvolle Eroberung mehr, die er machen muss. Wenn die Männer erst einmal haben, was sie wollen, dann nehmen sie entweder einen Befehlshaberton an, oder sie verschwinden. Deswegen sollte man ja auch immer vorher die Geschenke und das Geld einfordern.« An Cecilia und Marina gewandt, fügte sie hinzu: »Vergesst das nur nie.«
»Die Gefahr besteht nicht«, sagte Calori und fand, es sei wieder an der Zeit, ihre neue Autorität als Familienoberhaupt zu nutzen, »wenn man selbst das Geld verdient. Cecilia, ich glaube, du und Marina haben heute noch nicht geübt, weder Instrumente noch Tanz.«
Auf die übliche Quengelei und den Refrain »Muss das sein?« entgegnete sie, ja, es müsse sein, und zwar bei Maestro Melani.
»Du willst, dass wir im Regen zu Maestro Melani gehen?«, fragte Cecilia entgeistert.
»In der Tat«, gab Calori bedeutungsvoll zurück und schaute zu dem Schlafzimmer hinüber, in das Giacomo und Petronio verschwunden waren. »Keine Sorge, ihr müsst nicht alleine gehen.« Sie drückte Mama Lanti ein paar Münzen in die Hand. »Für eine schöne Mahlzeit im Gasthaus vorher oder nachher«, sagte sie eindringlich. Man konnte Mama Lanti und den Mädchen vorwerfen, was man wollte, sie waren keineswegs begriffsstutzig und auch nicht böswillig.
»Wenn es denn sein muss«, sagte Mama Lanti prompt. »Gehen wir, Mädchen. Maria, eine Mahlzeit würde dir auch guttun, du
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