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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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angesteckt habe, war das ein langfristiger Plan von mir, damit du mit mir nach Bologna kommst, und kein Zufall. Und ich prahle keineswegs, um als kluger Mann statt als armer Tropf nun dazustehen.«
    Allmählich lernte sie, dass sich in seinen Scherzen oft viel Wahrheit versteckte und Scherze in seinen Wahrheiten. Auf jeden Fall war sein Zorn verschwunden.
    »Bologna?«, fragte sie leise.
    »Angeblich sind dort die Chancen, schnell einen neuen Pass zu bekommen, am höchsten. Und ich möchte nicht noch einmal die Gastfreundschaft spanischer Armeen genießen. Oder österreichischer, was das angeht.«
    »Ich habe Angst um dich gehabt«, gab sie zu. »Vielleicht kannst du auch hierbleiben und dich hier um einen Pass bemühen. Ich habe einen österreichischen Offizier kennengelernt …«
    »… Baron Vais, ja, ich weiß.« Mit einer Fingerspitze tippte er ihr auf die Stirn. »Siehst du, ich kann Gedanken lesen.«
    Ihre Mundwinkel zuckten. »Petronio hat mir erzählt, dass Baron Vais dich aus der Stadt eskortiert hat.«
    »Petronio scheint es darauf angelegt zu haben, mir meine eindrucksvollsten Auftritte zu verderben«, gab Giacomo leichthin zurück, aber sie dachte sofort wieder an den seltsamen Streit von vorhin. »In jedem Fall«, fuhr Giacomo fort, »hat der gute Baron mir klargemacht, dass ich für meine Rückkehr etwas tun muss. Eins muss ich sagen, bei uns in Venedig geht die Staatsinquisition wesentlich diskreter vor, wenn sie Spitzel anheuert.«
    Beinahe hätte sie sich verschluckt.
    »Vais will, dass du für ihn spionierst?«
    »Ich hoffe, deine Frage ist kein Zweifel an meinen Fähigkeiten«, sagte Giacomo trocken, griff sich ihren linken Fuß und kitzelte sie gnadenlos, bis sie vor Lachen zusammenbrach. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, setzte Calori an, um Giacomo von Don Sanchos Angebot zu erzählen, als er hinzufügte: »Weißt du, es wäre eine Einkunftsmöglichkeit. Um ehrlich zu sein, die Vorstellung, allein von deinen Einkünften zu leben, behagt mir weniger und weniger.«
    Sie konnte ihn verstehen. Ermutigte sie Cecilia, Marina und auch Petronio nicht selbst schon seit Jahren, zu lernen, wie man durch Musik und Tanz Geld verdienen konnte, statt sich nur auf ihre Körper und auf Calori als Einkunftsquelle zu verlassen? Doch sie konnte nicht umhin, an Petronios alte Frage zu denken, was sie tun würde, wenn ein Mann, den sie liebte, sie bitten würde, das Singen aufzugeben. Solange Giacomo darauf angewiesen war, dass sie sang, bestand diese Gefahr nicht.
    »Ich habe mich immer gefragt«, sagte er auf einmal ohne jeden Hinweis auf Scherz oder Übertreibung, »ob meine Mutter meinen Vater nicht verachtet hat, weil er und die Familie von ihr lebten. Bei der Vorstellung, dass du mich eines Tages deswegen verachtest, dreht sich mir der Magen um, meine Liebste.«
    »Das würde ich nie«, beteuerte sie. Wenn sie ihm jetzt erzählte, dass Don Sancho ihr ebenfalls angeboten hatte zu spionieren, würde er sich am Ende erneut übertrumpft fühlen. Also sagte sie stattdessen nur: »Ich bin nicht deine Mutter.«
    »Das hoffe ich doch«, entgegnete er wieder in seinem alten scherzenden Tonfall, doch sie musste an die glanzvolle Figur auf der Bühne denken, die einst einen so großen Eindruck auf die kleine Angiola Calori gemacht hatte, und fragte sich, ob sie ihr ähneln würde, wenn sie selbst als Frau auf der Bühne stand, nicht mehr als Mann.
    Wenn, dann würde Giacomo ihr das gewiss nie sagen.
    Also verschwieg sie ihm Don Sanchos Angebot und ihren Brief. Stattdessen nieste sie und legte ihren Kopf an seine Schulter. »Ich glaube«, sagte sie nachdenklich, »ich habe mir eine Erkältung eingefangen. Kein Direktor kann wollen, dass ich mir meine Stimme ruiniere und damit außerdem das Publikum entsetze. Es dauert bestimmt eine Woche, bis ich wieder gesund bin. Und in Bologna gibt es die besten Ärzte der Welt.«
    Giacomo stützte sich auf seinen Ellbogen. »Calori, als Mann, der einmal Medizin studieren wollte, kann ich dir versichern, dass sich Erkältungen nicht so schnell übertragen.«
    »Würde ich lügen?«, fragte sie mit Unschuldsmiene.
    »Falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte«, sagte er, »du bist das anbetungswürdigste Geschöpf der Welt, und ich bin ein Glückspilz.«
    Sie war außerdem ein Geschöpf, das selbst einen neuen Pass brauchte und ihre Angelegenheiten mit ihrer leiblichen Mutter ins Reine bringen wollte, aber manchmal bedeutete Liebe offenbar, einen Mann im Glauben zu lassen, er

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