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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Schlag, dann wäre ihre Mutter immer noch mit dem Kutscher verheiratet und Mutter eines kleinen Kindes, ihres Halbbruders. Wer sollte für den Jungen die Verantwortung übernehmen? Faliers Verwandte bestimmt nicht, selbst wenn sie von dessen Vaterschaft wüssten. Sollte Calori auch ihn noch mitversorgen?
    Giacomo hatte recht gehabt, als er ihr an den Kopf geworfen hatte, dass sie nur lamentieren und an der Lage ihrer Mutter nicht wirklich etwas ändern wollte. Nicht, wenn es sie das Leben als Sängerin kostete, das sie sich schon immer ersehnt hatte. Und hatte er nicht auch recht, dass etwas in ihr, wie versteckt auch immer, erleichtert gewesen war, nicht ernsthaft auf seinen Heiratsantrag eingegangen zu sein? Wenn sie ihn wirklich liebte, mehr als alles und jeden anderen, wäre sie dann nicht in Pesaro geblieben? Sein Leichtsinn bezüglich des Geldes war zu dem Zeitpunkt schon nichts Neues mehr für sie; in Ancona hatte er es so schnell ausgegeben, dass sie schon allein deswegen seiner Geschichte misstraut hatte. Warum also jetzt der Zorn wegen der bestellten Uniform? Suchte sie am Ende nach irgendwelchen Entschuldigungen?
    Aber auf unserer Reise, da waren wir beide gleich glücklich, sagte sie sich. Da liebten wir beide und wollten beide nur das Beste füreinander. Warum sollte es nicht wieder so sein?
    »Schreiben Sie mir aus Neapel«, sagte Don Sancho, als die Sänfte vor dem zweitbesten Gasthof von Bologna abgesetzt wurde, und drückte ihr eine schwere Börse in die Hand.
    »Und wenn dem Herzog meine Stimme nicht gefällt?«, fragte sie, mehr, um überhaupt etwas zu sagen und ihre Gedanken aus dem Kreis zu lösen, in dem sie sich bewegten. Don Sancho überraschte sie ein weiteres Mal. Statt ihr ein Kompliment über ihre Stimme zu machen, lächelte er und sagte: »Schreiben Sie mir aus Neapel. So oder so.«

    Als Calori das Gasthaus in den Arkaden, die zur Universität führten, betrat, trank Giacomo gerade Kaffee, und das nicht alleine. Ein Prälat hatte sich zu ihm gesellt, der ihn unglücklicherweise erkannt haben musste und ihm eine Zeitung unter die Nase hielt.
    »Das sind doch Sie, oder?«, sagte der Prälat, der ihm in Rom bei Kardinal Acquaviva ein paar Mal über den Weg gelaufen war. »So eine Schande für den Kardinal!«
    Meldung aus Pesaro, hieß es in dem Artikel. Signore di Casanova, Offizier im Regiment der Königin, ist desertiert, nachdem er im Duell einen Hauptmann getötet hat. Man kenne die Umstände dieses Duells zwar nicht, man weiß nur, dass der genannte Offizier auf dem Pferd des anderen, der tot auf dem Platz blieb, den Weg nach Rimini eingeschlagen hat.
    Giacomo fragte sich, ob er die Meldung den beiden verhinderten Mördern oder jemand anderem zu verdanken hatte, und wusste nicht, ob er lachen oder sich die Haare raufen sollte.
    »Obwohl es mich mit Befriedigung erfüllen würde, überall zu Signore di Casanova zu werden, kann ich Ihnen versichern, dass ich keine Duelle irgendwelcher Art veranstaltet habe, ob mit oder ohne tödlichen Ausgang«, gab er zurück und überging die Angelegenheit mit dem gestohlenen Pferd. »Ich wüsste auch nicht, dass ich einem königlichen Regiment beigetreten wäre, also kann ich von keinem desertiert sein.«
    »Aber Sie haben sich doch hier beim Schneider eine Uniform bestellt«, beharrte der Prälat, »und sich beim Wirt im Gastbuch mit dem Berufsstand Offizier eingetragen. Das war auch Ihre Angabe, als Sie beim Bankier Orsi um einen Wechsel für sechshundert Zechinen ersuchten. Deswegen bin ich überhaupt hier. Orsi ist ein Freund von mir und hat mich gefragt, ob ich einen Venezianer namens Casanova kenne, der den Kardinal Acquaviva als Gewährsmann genannt hat. Ich bin hier in Bologna der apostolische Protonotar.«
    Aus den Augenwinkeln hatte Giacomo gesehen, wie Calori das Gasthaus betrat, und inzwischen war sie nahe genug gekommen, um die Worte des Prälaten zu verstehen. Sie schüttelte den Kopf, doch ihre stumme kleine Grimasse signalisierte mehr Erheiterung als Zürnen. Nun, wenige Versuchungen waren so süß wie diejenige, den Satz auszusprechen: »Ich habe es dir ja gleich gesagt.« Sie hätte zwar sein Nicht-Offizier-Sein bestätigen können, andererseits war das eine Herausforderung, ihr an Ort und Stelle zu beweisen, dass sie unrecht hatte, an ihm zu zweifeln. Also stellte er sie nicht dem Prälaten vor und winkte ihr auch nicht, sie möge näher treten. Stattdessen lehnte er sich ein wenig vor. Wenn die Menschen sich einmal etwas in den

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