Verfuehrung
Kopf gesetzt hatten, nützte es seiner Erfahrung nach nichts, auf etwas anderem zu beharren. Eher musste man in die andere Richtung gehen. Mit etwas Glück würde es sogar letztendlich dazu führen, dass der Prälat hier in Bologna nicht nur seine angebliche Offiziersidentität bestätigte, sondern auch als Garant für seine Zahlungsfähigkeit gesehen wurde.
»Nun wohl, Monsignore, Euer Exzellenz zwingen mich, das zuzugeben, ich bin derselbe.«
»Aber wie sind Sie dann vom Abbate zum Offizier …«
»Monsignore«, sagte Giacomo seufzend, »meine Seele dürstet danach, mich Ihnen anzuvertrauen, aber die Ehre verpflichtet mich heute zu strengstem Schweigen.«
»Die Ehre?«, fragte der Prälat verwundert. »Wessen …«
»Ich würde eher sterben, als Verleumdungen gegen den hochwürdigsten Kardinal Acquaviva zuzulassen. Bitten Sie mich nicht, um Individuen zu trauern, die solchen Schmutz verbreiten.«
Die Miene des Prälaten erhellte sich kurz, zeigte jedoch sofort wieder Verwirrung.
»Ah … aber … natürlich … aber …«
Giacomo legte seinen Finger auf den Mund. »Kein Wort. Kein einziger Ton von meinen Lippen, der mehr verrät! Dafür würde ich mich tausendmal von noch so einträglichen Ämtern verabschieden und der Welt zuwenden. Und nun erzählen Sie doch, was gibt es Neues in Bologna?«
Der Prälat runzelte immer noch die Stirn, wechselte jedoch gehorsam das Thema. Bei dem Misstrauen, das in Rom bei den höherrangigen Klerikern untereinander herrschte, konnte Giacomo mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass der Prälat, wenn ihm überhaupt etwas von einem der vielen jungen Abbates um den Kardinal Acquaviva zu Ohren gekommen war und unter welchen Umständen dieser Rom verlassen hatte, nur wissen konnte, dass es irgendetwas mit skandalösem Getuschel zu tun hatte, doch nicht worüber und weshalb. Die banale Wahrheit über die Tochter seines Französischlehrers und deren Galan war ohnehin so uninteressant, dass kein Klatschmaul Roms, das etwas auf sich hielt, sie wiederholt hätte. Durch ominöse Andeutungen, die jedoch nichts Greifbares aussagten, es so aussehen zu lassen, als habe das angebliche Duell in Pesaro etwas mit einem Skandal um den Kardinal zu tun, sorgte dafür, dass der Prälat Mitwisser wurde, wenn er direktere Fragen stellte. Nichts ging doch über ein gutes Gerücht, es wurde immer mehr geglaubt als jede Wahrheit. Ein Gerücht vollständig anzuzweifeln, so etwas tat ein hochrangiger Kleriker nie, schon gar nicht, wenn es um einen Kardinal ging, nicht einem einfachen Abbate gegenüber, der sein Amt hingeworfen und in den weltlichen Stand zurückgekehrt war. Und je öfter Giacomo wiederholte, er würde auf gar keinen Fall mehr zu dem Thema sagen, desto mehr würde der Prälat glauben, es gäbe ungeheuer viel zu berichten.
Wenn das Glück mit Giacomo war, dann würde er in Bologna nun bald als Held gelten, der in Pesaro jemanden getötet hatte, um die Ehre des Kardinals Acquaviva zu wahren. Selbst im ungünstigsten Fall, wenn nämlich jemand nach Pesaro schrieb und erfuhr, dass es überhaupt kein Duell gegeben hatte, konnte ihn niemand einer Lüge bezichtigen.
Der Prälat hastete dann auch bald von dannen, so abgelenkt, oder vielleicht sogar mehr als üblich ein Mann Gottes, dass er Calori keinen Blick schenkte. Ihm, dachte Giacomo im Nachhinein, hätte ich den Kastraten sofort geglaubt.
»Ich denke, ich kann den Schneider morgen deutlich herunterhandeln, wenn er meine neue Uniform liefert, weil er den armen Protonotar um Auskünfte belästigt hat, was meinst du?«, fragte er leichthin, als Calori sich zu ihm setzte. Er wusste, dass sie sich nicht bei ihm entschuldigen würde, und er hatte auch nicht die Absicht, das bei ihr zu tun. Trotzdem hasste er unbehagliches, anklagendes Schweigen mehr als die meisten Dinge und hielt es daher für angebracht, Brücken zu einem normalen Gesprächston zu bauen.
»Oh, ich glaube auch, dass du das kannst«, sagte sie, stockte, holte tief Luft und fuhr fort: »Aber du wirst es alleine tun müssen.«
Als er zum ersten Mal bewusst den vollen, durchdringenden Ton einer Kirchenglocke gehört hatte, aus der Nähe, ohne die Möglichkeit, den gewaltigen Schwingungen zu entrinnen, da war es ein ähnliches Gefühl gewesen.
»Giacomo«, sagte sie, »wenn ich jetzt gleich noch für ein weiteres Mal als Kastrat nach Rimini zurückkehre, dann kann ich dort für den Herzog von Castropignano singen. Wenn ich ihn überzeuge, dann bekomme ich als Frau
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