Verfuehrung
angerührt. Stattdessen klatschte er wie ein Besessener. Von diesem Moment an hatte sie den Abend ganz in ihrer Hand.
Bellino hätte tanzen mögen. Don Sancho hatte gewiss viele der großen Kastratensänger erlebt, und wenn Casanova wirklich aus dem Haushalt eines römischen Kardinals kam, dann war er sogar mit jenen vertraut, die für würdig befunden wurden, im Petersdom selbst zu singen. Beide zu fesseln, zu überzeugen, zu verzaubern, wenn man gegen solche Erinnerungen antreten musste, das war wirklich etwas, auf das sie stolz sein konnte. Sie hatte den richtigen Weg gewählt. Was war schon ein wenig Unbequemlichkeit in den Hosen und der Verzicht darauf, sich je nackt zeigen zu können, gegen die Möglichkeit, die Welt mit ihrer Stimme zu erobern!
Als Bellino, glücklich und triumphierend, den Kastilier und den Venezianer verabschiedet hatte, stellte sie allerdings fest, dass ihre Familie unterschiedliche Ansichten darüber hegte, wie man denn nun weiter vorgehen sollte.
»Don Sancho hat gesagt, dass er morgen früh nach Sinigaglia abreisen muss, und hat kein Wort darüber verloren, dass er dich nach Neapel empfehlen wird«, sagte Mama Lanti missbilligend. »Es mag ja sein, dass er von deinem Gesang hingerissen war, aber bezahlt hat sich das bisher noch nicht für uns gemacht. Der Abbate, der scheint mir von einer anderen Natur zu sein.«
»Wenn er überhaupt ein Abbate ist«, sagte Bellino. »Mir kommt die Geschichte mit der päpstlichen Erlaubnis, die Fastenzeit unterbrechen zu dürfen, und der geheimen Mission nach Konstantinopel immer noch sehr unwahrscheinlich vor.« Sie verschwieg, dass sie ihn als kleinen Jungen in einem Theater in Venedig gesehen hatte. Dieses Ereignis hatte für Bellino nicht stattgefunden. Mama Lanti könnte sie es trotzdem erzählen, wenn die Geschwister nicht dabei waren, doch sie stellte fest, dass sie diese Erinnerung Angiolas für sich behalten wollte. Es war ein magischer Tag für sie gewesen, ihr erster in einem Theater; für das Kind, das sie damals gewesen war, war es ein Märchenreich gewesen, und der fremde Junge, der ihr hinein- und heraushalf, als sie zu ihren Eltern zurückwollte, hatte dazugehört. Mama Lanti davon zu berichten hätte ein Stück Zauber aus ihrer Kindheit zu etwas Alltäglichem gemacht. Alles in ihr sträubte sich. Stattdessen fuhr sie fort: »Don Sancho hat aber auch gesagt, dass er bereits übermorgen Abend wieder hier sein wird. Dann braucht er doch nichts weiter anzukündigen!«
»Ein kluger Mann hat seine Stiefel unter zwei Betten«, sagte Mama Lanti unbeeindruckt. Es war ein echtes Sprichwort, aber Bellino argwöhnte, dass Mama Lanti es wörtlich meinte.
»Ich mag den Abbate auch lieber«, verkündete Marina, was niemanden überraschte. »Don Sancho ist so alt, der sinkt ja bald ins Grab!«
Don Sancho erschien Bellino wie ein rüstiger Vierziger, der bei seinem gesicherten Auskommen noch gute zwanzig, dreißig Jahre vor sich haben mochte. Soweit sie das hatte erkennen können, verfügte er noch über die meisten seiner Zähne, was ein gutes Zeichen war. »Du bist so jung«, sagte Bellino belustigt zu Marina und erinnerte sich plötzlich, wie Appianino dasselbe zu ihr gesagt hatte. Damals hatte sie nicht begriffen, was er meinte. Es versetzte ihr einen kleinen Stich.
»Als Heeresverpfleger arbeitet Don Sancho für andere, obwohl er es bestimmt nicht nötig hat, so wie er wirkt«, sagte sie nachdenklich. »Wie viele Männer von Adel gibt es wohl, die mehren, was sie geerbt haben, statt es durchzubringen? Ich finde das bemerkenswert.«
»Vielleicht hat er einen Sekretär wie den Abbate, der die ganze Arbeit für ihn erledigt«, wandte Cecilia ein, und Marina zog eine Grimasse.
»Mir ist es egal, wer die Arbeit macht, und er kann sein Geld gerne durchbringen, wenn er es für uns ausgibt. Aber so langweilig, wie er ausschaut, tut er das bestimmt nicht!«
»Große Herren können eigentlich nie genug Dienerschaft haben«, kommentierte ihre Mutter hoffnungsvoll.
»Don Sancho«, stellte Petronio fest, »hat eigene Diener.« An Bellino gewandt, fuhr er fort: »Ich habe dir ja versprechen müssen, dass ich mich ihm gegenüber wie ein braver Junge aufführe. Aber der Abbate ist ohne Diener hier eingetroffen, also wäre ich dir wirklich dankbar, Bruderherz, wenn du dich morgen bei ihm dafür einsetzt, dass er mich für die Dauer seines Aufenthalts hier in Ancona als Lohnknecht nimmt.«
»Du guter Junge«, sagte Mama Lanti beifällig und
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