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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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zu. »Petronio, dein erster Auftrag lautet, Kaffee für mich und deine gesamte Familie zu besorgen.«
    Das war großzügig von ihm, und daher schickte es sich für sie nicht, gemeinsam mit Petronio sein Zimmer zu verlassen, ohne ihm vorher dafür zu danken. Allerdings fragte Bellino sich sofort, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, als Casanova sich endlich und sehr geschwind aufsetzte, sowie Petronio den Raum verlassen hatte, und auf das Bett neben sich klopfte.
    »Aber setzen Sie sich doch, Bellino.«
    »Ich bin noch nicht so alt und gebrechlich, dass meine Beine so frühmorgens unter mir zusammenbrechen, danke«, gab sie zurück, doch lächelte dabei. Ihrer Erfahrung nach akzeptierten die meisten Menschen eine Ablehnung eher, wenn sie von einer freundlichen Miene begleitet wurde.
    »Und es sind ausgesprochen reizvolle Beine. Aber, um ganz offen zu sein, nicht eben männliche. Bellino, ich weiß nicht, mit welchen gutgläubigen Narren Sie es bisher zu tun hatten, aber mir ist es offensichtlich, dass Sie in Wirklichkeit …«
    Er sprach nicht zu Ende, und sie wurde einer Antwort enthoben, als erneut geklopft wurde, und Cecilia und Marina in sein Zimmer stürmten. Es verschaffte ihr eine Atempause, in der sie feststellte, dass sie weniger Angst wegen einer möglichen Entdeckung als Ärger und Empörung über seine Selbstgewissheit, nein, Selbstgefälligkeit empfand. »Nur gutgläubige Narren«? Sie hatte alles darangesetzt, Angiola zu Bellino zu machen. Wenn er sie für eine Frau hielt, dann keineswegs, weil er so klug war, sondern nur, weil er nicht zugeben wollte, einen Kastraten anziehend zu finden!
    »Petronio hat uns erzählt, dass Sie uns Kaffee spendieren«, sagte Marina atemlos, »da wollten wir uns sofort bedanken, wie es sich gehört.«
    Sie trugen beide Kleider, die da, wo es ihnen darauf ankam, nur teilweise zugeschnürt waren, und der angebliche Abbate warf Bellino einen amüsierten Blick zu, ehe er aufstand und beide Mädchen mit einem Handkuss willkommen hieß. Cecilia ließ sich danach, ohne lange zu überlegen, auf sein Bett fallen.
    »Dürfen wir den Kaffee hier bei Ihnen einnehmen? Mama ging es in der Nacht nicht gut, und deswegen stinkt es in unserem Zimmer.«
    »Das Wort nein und ich waren noch nie Freunde.«
    Das möchte ich wetten, dachte Bellino. Seine Bemerkung wegen ihrer Beine hatte sie beunruhigt, und sie wollte herausfinden, ob aus ihm nur männliche Selbstgefälligkeit sprach oder ob er sich am Ende doch an ihre erste Begegnung erinnerte. Außerdem wollte sie Cecilia und Marina nicht mit ihm allein lassen. Doch letztlich würden die Mädchen tun, was sie wollten, vor allem, wenn es das war, was ihre Mutter von ihnen erwartete. Aber auch nach mehr als drei Jahren mit den Lantis konnte sie das nicht als selbstverständlich hinnehmen. Wenigstens sollten die Mädchen noch einmal daran erinnert werden, dass es keine Pflicht war.
    Petronio kam mit dem Kaffee zurück, und zu ihrer Erleichterung bat Casanova auch ihn, zu bleiben, doch Petronio schüttelte den Kopf und gab vor, unbedingt nach seiner armen alten Mutter sehen zu müssen. Hinter Casanovas Rücken schnitt Bellino ihm eine Grimasse und bedeutete ihm, er solle bleiben.
    »Es sind noch sechzehn Paoli von der Zechine übrig, die Sie mir für den Kaffee gegeben haben«, sagte Petronio und hielt die Münzen in seinen Händen. Der junge Abbate machte eine wegwerfende Bewegung.
    »Oh, behalte das Geld.«
    »Sie sind die Großzügigkeit selbst, mein Herr«, sagte Petronio, weil der Kaffee nur einen Bruchteil gekostet hatte und sein Anteil nun größer war als sein Lohn für einen Monat. Er beugte sich vor und küsste sein Gegenüber zart auf die Lippen. Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass Bellino ihn dergleichen hatte tun sehen, und sie begriff selbst nicht, warum der Anblick dieses Mal in ihr etwas auslöste, das sie sich nicht erklären konnte. Bei Cecilias und Marinas Kokettiererei mit dem spendablen Venezianer war sie gereizt und fühlte sich als Beschützerin. Auch was Petronio hier tat, machte sie nicht wütend. Vielleicht, weil Petronio wusste, was er tat, während Cecilia und Marina sie manchmal an sich selbst vor ein paar Jahren erinnerten. Sie fragte sich, ob Appianino sie am Ende auch so gesehen hatte, kindisch in allem außer ihrem Körper. Petronio dagegen war die Gegenwart, ihre Gegenwart, und sie hatte viel von Bellinos Körpersprache nach der seinen geformt, weil er ihr bestes Modell gewesen war.

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