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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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verabschiedete sich für die Nacht mit schallenden Küssen, während sie Marina und Cecilia mit sich zog. Bellino seufzte.
    »Als Lohnknecht, hm?«
    »Wenn er meine anderen Dienste auch annimmt, dann hast du noch mehr Grund, mir dankbar zu sein«, sagte Petronio und zwinkerte ihr zu.
    »Warum?«, fragte sie und fühlte sich unverständlicherweise wie ein Kind, das man mit dem Finger in den Süßigkeiten ertappt hatte.
    »Weil wir dann wissen, dass er für Männer zu haben ist«, sagte Petronio. »Schau, ich bin nicht blind. So, wie er dich angestarrt hat heute Abend, will er auf jeden Fall etwas von dir. Deswegen sollst du dich für mich bei ihm einsetzen. Und im Gegensatz zu dem Spanier glaube ich nicht, dass der Abbate auf deine Stimme aus ist. Aber manche Männer vernarren sich in Kastraten, weil sie in ihnen eine Frau sehen, und manche, weil sie einfach nur einen Mann wollen, aber nicht bereit sind, das zuzugeben. Es wäre doch gut, zu wissen, zu welcher Sorte er gehört, oder?«
    »Hm«, sagte sie, hielt sich die Hand vor den Mund und tat so, als gähne sie erschöpft. »Lass uns zu Bett gehen.«
    »Versprich mir, dass du ihn meinetwegen fragst. Du weißt, dass wir beide neugierig auf das Ergebnis sind.«
    Es lag ihr auf der Zunge, das zu leugnen. Warum sollte es sie kümmern, ob dieser Casanova Frauen, Männer oder Schafe bevorzugte?
    Aber manchmal hatte er sie heute Abend angesehen, als wüsste er, wer sie war. Als sähe er mehr als das, was sie allen anderen darbot. Und er war ein Teil von Angiolas magischem Tag gewesen. Ihm hier zu begegnen war wie ein unerwartetes Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Angiola und Bellino.
    »Ich verspreche es«, hörte sie sich erwidern.
    Es ist nicht, weil ich irgendetwas von ihm will, sagte sich Bellino. Außer vielleicht, herauszufinden, ob er sich nicht doch an mich erinnert und nur darauf wartet, mich bloßzustellen. Mag sein, dass er einfach Don Sanchos wegen nichts gesagt hat. Aber wenn wir alleine sind, was dann?
    Im Übrigen war er nur ein junger Mann wie andere auch, da war sie sich sicher. Und wenn er mit Petronio ins Bett ging, nun, dann bewies das erst recht, wie wenig vertrauenswürdig er war. Konstantinopel! Ein päpstlicher Dispens! Da gab es Opernlibretti, die mit wahrscheinlicheren Geschichten aufwarteten.
    Sie schlüpfte in ihr Nachthemd und hielt inne. Das Gummiteil klebte noch immer an seinem Platz. Für den Auftritt in der hiesigen Kathedrale war sie von einem älteren Vertreter des Bischofs auf ihre Männlichkeit hin geprüft worden, durch einen kurzen, hastigen und verschämten Griff, der nicht weiter als mit einer Hand auf ihren Hosenbeutel ging. Da hatte die Contessa aus Pesaro während des Karnevals schon kräftiger zugegriffen, sich allerdings auch damit abgefunden, als Bellino etwas von der Tragödie seines Lebens murmelte, die auch durch die Schönheit der allergnädigsten Contessa nicht in die Höhe getrieben werden konnte, und sich mit ein paar Küssen auf den Nacken zufriedengegeben.
    Mit ihren Brüsten und dem künstlichen Glied sah Bellino aus wie ein Zwischending aus Mann und Frau, eine Hälfte von beidem. Welchen Teil der angebliche Abbate Casanova wohl wollte, fragte sie sich und dann, verwundert, warum sie das überhaupt kümmerte. Er war nur ein Durchreisender und sehr wahrscheinlich ein Lügner. Doch selbst wenn er das nicht war, wenn er wirklich für einen Kardinal arbeitete, dann gab es nichts, was er für sie tun konnte, nicht, wenn er sich auf dem Weg zu den Türken befand. Gab es bei den Türken in Konstantinopel etwa Opern? Nein, die gab es nicht. In Rom gab es natürlich nicht nur Opern, sondern auch die Möglichkeit, für Kardinäle und den Papst selbst zu singen, aber dort fanden mit Sicherheit gründlichere Kontrollen statt, als das in den Provinzstädten des Kirchenstaats der Fall war. Nein, das durfte sie nicht riskieren. Nach Rom würde sie erst gehen, wenn sie sich bereits einen so großen Namen gemacht hatte, dass es niemand wagen würde, sie anzufassen. Damit war klar, dass der Venezianer nichts für sie tun konnte, selbst, wenn er mit jedem bisher geäußerten Wort die Wahrheit gesprochen hatte. Also konnte er ihr gleichgültig sein.
    Völlig gleichgültig.
    Zu ihrer Verärgerung wollte der Schlaf nicht kommen. Stattdessen dachte sie an die verstohlenen Nächte mit Appianino, damals, als sie noch ein Mädchen und Angiola gewesen war. Die Erinnerung tat nicht mehr ganz so weh wie früher, auch,

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