Verfuehrung
Mädchen bist, und der Kastilier kommt erst morgen zurück.«
»Die Contessa aus Pesaro.«
Petronio lachte. »Siehst du, ich hab dir gleich gesagt, dass du es so einrichten sollst, dass wir zu dritt sind. Dann hättest du nicht die ganze Arbeit alleine tun müssen.«
»Und ich hab dir gesagt, dass sie kein Kind will«, gab Bellino heftig zurück. Sie spürte einen Anflug von Empörung, denn sie fand, dass er sie wegen ihres Geständnisses eigentlich hätte bedauern und ihr versichern sollen, dass sie sich nicht herablassend ihm gegenüber benommen hatte. Aber dies war Petronio, der noch nie etwas Schlechtes darin gesehen hatte, reicheren Leuten zu Willen zu sein.
»War es sehr anstrengend mit der Contessa? Ich meine, wo du doch nicht …« Er machte eine eindeutige Hüftbewegung, und sie rollte die Augen gen Himmel.
»Du hast keine Ahnung, was ich kann oder nicht kann. Und wenn du es wirklich genau wissen willst, das Schlimmste war, dass mir jetzt noch die Knie weh tun und ich mir fast den Hals verrenkt habe, weil wir die ganze Zeit in einer fürchterlich unbequemen Kutsche waren. Ich habe ihr gerade noch ausreden können, es im Fahren zu tun, sonst wäre ich am Ende mit meiner Zunge noch steckengeblieben! Das ist nicht komisch«, fügte sie hinzu, weil Petronio von Gesichtszuckungen zu offenem Gelächter übergegangen war und mittlerweile selbst schenkelschlagend auf dem Boden saß.
»Doch«, sagte er mit Lachtränen in den Augen, »das ist es.«
Ungebeten kam das Bild der japsenden Contessa mit ihren OhGottohGottohGott -Rufen zurück, und Bellino spürte eine Blase unangebrachter Heiterkeit in sich aufsteigen. Petronios Feixen half dabei nicht, und ehe sie es sich versah, drang das erste Glucksen aus ihrer Kehle, fremd und kindisch, gefolgt von einem ausgewachsenen Kichern. Am Ende saß sie neben ihm auf dem Boden.
»Weißt du, in den Romanen, die ich früher gelesen habe, schwören Brüder empört Rache, wenn sie erfahren, dass jemand Hand an ihre Schwester gelegt hat«, sagte sie, als sie wieder zu Atem kam.
»Nun, du bist nicht meine Schwester, und bei Cecilia ist es auch schon viel zu spät«, gab er leise zurück. In dem Halbdunkel seiner Kammer konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht ausmachen. Der Moment hing zwischen ihnen in der Luft, und all das Unausgesprochene lag ihr auf der Zunge. Dann schluckte sie es hinunter.
»Und du bist der Ältere«, fügte Petronio hinzu.
»Das bin ich«, sagte sie und machte sich daran, wieder aufzustehen, als er ihr eine Hand auf die Schultern legte.
»Darf ich dir trotzdem einen Rat geben?«
Sie nickte, und dabei streifte ihre Wange seine Hand.
»Tu es mit jemandem, den du magst«, sagte er. »Das macht viel mehr Spaß und ist nützlich als Erinnerung, wenn die nächste Contessa auftaucht. Außerdem habe ich den Eindruck, dass der Abbate etwas von der Sache versteht, und das ist auch nicht selbstverständlich.«
»Und was sagt dir, dass ich den Abbate mag?«
Er stand auf und zog sie nach sich. »Du bewegst deine Hüften anders beim Gehen, schlägst die Beine übereinander, wenn er da ist, und ihr habt euch aufgeführt wie zwei Hähne beim Balzen heute Mittag.«
»Der einzige Gockel hier ist er«, sagte sie aufgebracht, und Petronio zwickte sie in die Nase.
»Überleg es dir, aber nicht zu lange.«
Auf dem Flur begegnete sie Cecilia, die mit einer Kerze in der Hand und mit einem Hemd, das mehr ent- als verhüllte, schon wieder auf dem Weg zum Zimmer des Venezianers war. Cecilia blieb stehen und sagte verlegen: »Er ist eben ein sehr netter Herr, der Abbate.«
»Zweifellos«, sagte Bellino und fragte sich einmal mehr, ob das Geld, mit dem Casanova hier um sich warf, seiner Mutter gehörte, seinem angeblichen Brotherrn, dem Kardinal, oder der Kirche. Aber sie hatte ihre Empörung für heute aufgebraucht, Petronios Worte schwirrten ihr im Kopf herum. Sie hatte ihr Vorhaben, aufzupassen, durchaus nicht vergessen, wusste aber auch, dass Verbieten junge Mädchen wie Cecilia und Marina eher noch lüsterner nach Liebesdingen machen würde, selbst wenn sie nicht durch ihre Mutter genötigt wurden, Kapital aus ihrem Körper zu schlagen. Einmal hatte sie Cecilia vor dem Zimmer eines Pensionsgastes abgefangen, nur um »aber es gefällt mir, und du bist nur neidisch!« zu hören, und sie bezweifelte, dass Cecilia heute etwas anderes sagen würde. Man konnte also genauso gut springen, wenn man ohnehin auf einer Klippe stand, dachte Bellino.
»Cecilia, wenn du den
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