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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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das Ganze so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, und sich hinterher wie die machtlose Törin vorzukommen, die sie war – oder doch noch zu versuchen, das zu tun, was sie sich ursprünglich vorgenommen hatte. Diejenige zu sein, die in dieser Lage die Macht besaß. Derjenige, nicht die jenige. Die Contessa war nicht mit einem verängstigten jungen Mädchen hier, sondern mit einem Mann, von dem sie geträumt hatte. Die Contessa würde diejenige sein, die ihre Beherrschung verlor, und das, ohne zu wissen, wer ihr in Wirklichkeit dazu verhalf. »Giulia«, sagte Bellino, kniete auf dem Boden der Kutsche vor ihr nieder, legte ihr zwei Finger auf den Mund und holte sich den herrischen Ton der Perserkönige zurück. »Lassen Sie mich einfach improvisieren. Sich von Schönheit zu neuen Verzierungen anregen zu lassen ist mein Beruf.«
    Die Lippen unter ihrer Handfläche bewegten sich, aber nur, um sich zu schließen. Als die Contessa das nächste Mal den Mund öffnete, war es, um Schreie des Entzückens auszustoßen.

    Sich von dem Wirt im Februar einen Trog mit heißem Wasser bringen zu lassen war keine Kleinigkeit. Er murmelte etwas von unbezahlten Rechnungen.
    »Der Abbate hat unsere letzten Mahlzeiten bezahlt, und für die Zimmer während des Karnevals kann ich Sie gleich auszahlen«, sagte Bellino. »Wenn Sie das heiße Wasser gebracht haben.«
    »Nur, damit Sie es wissen, der Abbate will morgen abreisen, also rechnen Sie nicht damit, dass er noch mehr Mahlzeiten für Sie und Ihre Familie begleicht. Oder gar die Zimmer.«
    »Ich habe genügend Geld hier«, sagte sie, und er brachte ihr endlich das Verlangte, nicht, ohne sofort das Geld für alles bisher Geleistete entgegenzunehmen. Als er verschwand, verriegelte sie die Tür und zog sich aus. Dann schrubbte sie jedes bisschen Haut, das sie erreichte.
    Es war keine schreckliche Erfahrung gewesen, ganz und gar nicht. Melanis Angewohnheit, sie mit dem Rohrstock auf die Finger zu schlagen, bis sie ihre Instrumente beherrschte, und diese Instrumente dann mit geschwollenen Fingern spielen zu müssen, das war schmerzhaft gewesen; das, was sie gerade mit der Contessa getan hatte, ganz und gar nicht. Es hatte ihr sogar eine gewisse Befriedigung bereitet, weil die Contessa wirklich auf dem harten Kutschsitz gelegen und nach Luft geschnappt hatte wie ein Fisch, immer nur »oh Gott, oh Gott« wiederholend. Wenn sie ganz ehrlich sich gegenüber war, dann hatte sie den Teil danach sogar genossen, denn als sie aufhören wollte, hatte die Contessa sie bestürmt, sie solle weitermachen, um des Himmels willen. Als sie dennoch Anstalten gemacht hatte, die Kutsche zu verlassen, war es die Contessa gewesen, die auf die Knie gegangen war und sie angefleht hatte, noch ein Mal, und erst dann war Bellino dazu bereit gewesen, ihrer Hoffnung für das Engagement in Pesaro gedenkend. Aber sie fühlte sich am ganzen Körper klebrig, weil sie nichts, aber auch gar nichts für die Contessa empfunden hatte, und es war nicht nur ihr eigener Schweiß. Vor allem anderen wollte sie den Geruch der Contessa an ihren Händen und auf ihrem Gesicht loswerden.
    Als sie wieder sauber war und selbst nicht mehr in der Lage, noch irgendetwas zu riechen, legte sie nach kurzem Zögern wieder das Gummiteil an, ehe sie in ihr Nachthemd schlüpfte. Dann zog sie ihre Schuhe an und hoffte, dass Petronio heute Abend rechtschaffen müde von seinen Dienerpflichten in seinem Zimmer sein würde, und das ohne Begleitung. Es war vermutlich genauso dumm wie ihr ganzes Verhalten an diesem Tag, aber sie konnte jetzt nicht alleine sein.
    Petronios Tür war nicht verschlossen. Als sie in seine Kammer schlüpfte, war er tatsächlich dort, und ohne Begleitung. Er schlief noch nicht, sondern übte ein paar Tanzschritte.
    »Bellino?«
    »Es tut mir leid«, sagte sie, und ohne recht zu wissen, warum, brach sie in Tränen aus.
    »Was denn?«, fragte er einigermaßen verblüfft.
    »Dass ich mich für etwas Besseres gehalten habe«, sagte sie und fuhr sich mit dem Handrücken über ihr Gesicht, um die lächerlichen Tränen abzuwischen. »Das bin ich nicht. Ich habe auf euch andere herabgesehen und bin mir als heilige Beschützerin vorgekommen, und nun schau mich an.«
    Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Wer war’s denn?«, fragte er, offenbar sofort erfassend, worauf sie sich bezog. »Der Abbate kann’s nicht gewesen sein, der versucht gerade, Cecilia während ihres Liebesspiels dazu zu bringen, ihm zu sagen, dass du ein

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