Verfuehrung
Schurke in seinem Eigentum gewütet hat und vielleicht Echtes gegen Falsches vertauscht wurde. Kaum auszudenken, wenn Fremdes jetzt in seinem Schatzkästchen liegt, ohne ihm Nutzen zu bringen.«
Die Griechin blickte sie zum ersten Mal direkt an. Ihre Lippen waren leicht angeschwollen und ihr Schleier auf dem Haar etwas verrutscht, aber ihre Augen waren klar.
»Alles, was das Herz erfreut, hat seinen Nutzen«, entgegnete sie mit einer leicht heiser klingenden Stimme. »Ganz gleich, für wie kurze Zeit diese Freude auch bemessen sein mag. Aber ich will gerne zugeben, dass nicht jeder das zu würdigen weiß.«
Bellino fehlten die Worte. Es war daher Glück, dass der türkische Kapitän beunruhigter als seine Griechin über die Aussicht war, als Händler mit falschem Schmuck ertappt zu werden, ob nun von Ausländern oder »der Pforte«.
»Falls Sie sich diesen ausgesucht edlen Schmuck nicht leisten können«, sagte er zu Casanova, »bin ich unter Umständen bereit, für Sie, mein guter Freund, ein wenig den Preis nachzulassen. Nur gestatten Sie es Ihrem Eunuchen nicht länger, meinen guten Namen zu beschmutzen und das Herz meiner armen Haidee zu beunruhigen.«
Das gab Bellino ihren Wortschatz zurück. »Ich bin nicht sein Eunuch«, sagte sie so erhaben wie möglich. »Er ist mein Begleiter. Schließlich kann ein Sänger, dessen Stimme Fürsten und Heilige erfreut, nicht allein durch die Gegend kutschieren.«
»Und er ist ein wirklich gestrenger Herr«, fiel Casanova ein. »Ich fürchte, er wird mir nicht gestatten, so viel Geld für Ihren wunderschönen Schmuck zu zahlen, den Ihre Stücke zweifellos wert sind. Wie viel Nachlass schwebt Ihnen denn vor?«
Der Kapitän machte eine Bemerkung zu seiner Griechin, die daraufhin auf eine der Ketten, ein Armband und ein Fläschchen deutete und meinte, dieser Duft in Verbindung mit dem Schmuck sei das, von dem sie selbst träumen würde, der freundliche Besucher habe schließlich nach ihrem Geschmack wählen wollen, und all das sei gewiss fünfzig Zechinen wert.
Es war noch nicht sehr lange her, dass der gute Rock und die Samthose von Angiolas Vater drei Zechinen gebracht hatten und ihr das als gelungener Handel erschienen war. Fünfzig Zechinen hatten Angiola und ihre Mutter noch nicht einmal für ein Jahr Miete für das gesamte Haus in Bologna zahlen müssen. Aber Angiola war tot. Immerhin brauchte Bellino bei ihrer Empörung jetzt nicht zu heucheln.
»Zwanzig Zechinen sind noch zu viel für diesen Kupfertand«, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Casanova machte ein betrübtes Gesicht.
»Ein Mann, der um all seine Leidenschaft gebracht wurde, ein Mann, der Lust und Erlösung nicht erkennt, selbst wenn sie vor ihm steht, und nur mit dem Kopf denkt, statt seinen Gefühlen zu vertrauen, kann nun einmal Schönheit nicht gebührend würdigen«, sagte er vertraulich zu dem Türken und der Griechin. »Was soll ich da machen?«
Wenn sie alleine gewesen wären, hätte Bellino für sein Überleben nicht garantieren können. Der Tod durch den Strang wäre noch zu gut für ihn, dachte sie zornig.
»Nicht für einen Verschnittenen arbeiten wäre ein Anfang«, brummte der Kapitän. »Ich würde mich zu dergleichen nie herablassen.«
»Dann müssen die Gerüchte, die besagen, der derzeitige Großwesir sei ein Eunuch, gemeine Lügen sein«, meinte Casanova, »da ich nie an Eurem Wort zweifeln würde, mit der Pforte selbst zu handeln.«
Der Kapitän machte ein Gesicht, als habe er Zahnschmerzen, und meinte, er sei unter großem Verlust seiner Selbstachtung bereit, nur vierzig Zechinen in Betracht zu ziehen. Am Ende verließen sie das Schiff dann mit der Kette, dem Armband, dem Fläschchen und hatten zweiundzwanzig Zechinen gezahlt.
»Das Glas stammt aus Murano«, sagte Casanova zufrieden, als sie wieder auf ihrem Boot waren und zum Kai zurückruderten, »da kenne ich mich aus. Gemessen daran, was die Glasbläser aus Murano für ihre Stücke verlangen, haben wir allein deswegen einen guten Handel abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Bellino.«
Sie war nicht in der Stimmung, sich danken zu lassen.
Jetzt, wo sie sich nicht mehr mit dem Handel beschäftigen konnte, kehrte das Bild von ihm mit der Griechin zurück, und es machte sie immer zorniger. Ganz gewiss hatte er die Griechin und den Kapitän schon früher gekannt, hatte gewusst, dass sie an Bord sein würde, und hatte nur deswegen so rasch eingewilligt, als sie nach einer Besichtigung der Schiffe gefragt hatte.
Weitere Kostenlose Bücher