Verfuehrung
zuwenden, um sich zu bestätigen, was für ein unwiderstehlicher Mann Sie für Frauen sind?«
Diesmal hatte sie ihn nicht nur getroffen, sondern wütend gemacht.
»Das kann ich mir gleich bestätigen«, sagte er, »als meinen Wettgewinn«, und griff ihr mit seiner freien Hand ohne weitere Vorwarnung zwischen die Beine. Sie rührte sich nicht, und er fand, was schon andere vor ihm gefunden hatten. Wie ein Kind, das sich verbrannt hatte, zog er beide Hände hastig zurück und ließ sie los.
»Ich hatte Sie gewarnt«, sagte Bellino ruhig, ohne eine Miene zu verziehen. »Außerdem hat unsere Wette gelautet, die erste Frau nach den Schiffen. Sie haben sich etwas herausgenommen, worauf Sie keinen Anspruch hatten.«
Innerlich war sie leider ganz und gar nicht so gelassen, wie sie ihm gegenüber sein wollte, doch sie war glücklich, dass ihr der genaue Wortlaut der Wette wieder eingefallen war. Angesichts seines verstörten Gesichtsausdrucks empfand sie den Triumph, den sie erwartet hatte, gewiss, aber gleichzeitig flüsterte eine verräterische Stimme in ihr: Was, wenn das alles nun beendet ist? Was, wenn er wirklich nie einen Mann begehren kann?
Das sollte sie nicht weiter kümmern. Wenn er sie nun nicht mehr begehrenswert fand, nun, dann würde er eben nicht eingestehen, sich auch zu einem Mann hingezogen zu fühlen, und ein, zwei Tage früher als erwartet wieder aus ihrem Leben verschwinden. Was tat das schon? Hatte er ihr nicht gerade wieder gute Gründe gegeben, warum sie das sogar begrüßen sollte?
Die Contessa fiel ihr wieder ein und ihre schmerzenden Knie auf dem Kutschboden. Würde das nun ihre Zukunft sein? Menschen zu Willen zu sein, die genügend Macht über sie besaßen, um dergleichen zu verlangen, und dabei höchstens die schale Befriedigung zu empfinden, diese Macht auf die Größe von japsenden Fischen reduzieren zu können?
Petronio hatte gut reden, wie viel besser es sei, hin und wieder mit jemandem ins Bett zu gehen, der einem gefiel. Petronio hatte kein Geheimnis zu verbergen.
Petronio hätte vermutlich das Gleiche wie die Griechin getan, wenn er einen Mann wirklich wollte, zum Teufel mit der Gefahr. Machte das einen tiergleich oder erst wirklich zu einer Vollblut-Frau, zu einem Vollblut-Mann?
Ich bin kein Mann, ich bin keine Frau, ich bin ein Kastrat, sagte sich Bellino, aber sie hatte nie weniger überzeugend in ihrem eigenen Kopf geklungen.
»Sie hatten mich gewarnt, Sie haben recht«, entgegnete Casanova nun fast tonlos.
Während des restlichen Rückwegs zum Gasthof sprach er nicht mehr mit ihr, und der Triumph, auf den sie sich so gefreut hatte, zerrann mehr und mehr.
Cecilia war in besserer Stimmung und wartete bereits mit ihrer Laute auf Bellino, damit sie gemeinsam üben konnten. Sich augenblicklich in die Musik zu versenken half, als könne sie ihre Gedanken wie Kostüme abstreifen oder ohne nass zu werden durch das größte Meer schwimmen. Alles um sie war ihr vertrautes Element, und wenn sie mit einer Kadenz nicht zufrieden war, dann war es möglich, sie zu wiederholen, bis eine Variante erklang, die ihr das Gefühl gab, über den Wolken zu schweben.
»Warum«, fragte Cecilia, »schreibst du dir nicht die besten Improvisationen auf, die, bei denen die Zuhörer wirklich verrückt wurden, und singst immer wieder genau diese?«
»Wenn du dich erst einmal daran gewöhnst, alles, was du ständig verändern solltest, wie einen Brei im Mund herumzukauen, dann wirst du trocken und unfruchtbar und zum Sklaven deines Gedächtnisses.«
Einst hatte sie Appianino das Gleiche gefragt und ebendiese Antwort bekommen. Damals hatte sie nicht verstanden, was er meinte, und gefragt, ob man komplizierte Dinge nicht auch einfacher erläutern konnte. Wie Appianino bei ihr sah sie jetzt bei Cecilia ein Stirnrunzeln.
»Es ist, wie wenn man Schreiben lernt«, sagte Bellino, um es mit ihren Worten zu erklären. »Du kannst immer die gleichen großen Buchstaben hintereinandermalen, die du zuerst lernst, und das Ergebnis wirst du lesen können, aber es dauert lange, so zu schreiben, und es liest sich linkisch und stolpernd. Oder du kannst eine Schreibschrift mit großen und kleinen Buchstaben verwenden, dazu Kommas und den Punkt. Dann fließt das Geschriebene nur so dahin, und du selbst und jedermann kommt auf Anhieb damit zurecht.«
»Bei dir vielleicht«, entgegnete Cecilia mit einer Grimasse. »Ich kann meinen Namen schreiben und die Noten lesen, die du mir beigebracht hast, und das reicht mir.
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