Verfuehrung
Alles, um vor ihren Augen zu beweisen, was für ein unwiderstehlicher Hengst er doch war. Es wäre ihm recht geschehen, wenn der Türke ihn ertappt hätte!
»Ich danke Ihnen für den Eindruck, den Sie mir auf diesem Schiff von Ihrem Charakter gegeben haben«, entgegnete sie spitz.
Er lachte. »Nun, wir hatten eine Wette abgeschlossen. Mein Charakter ist der eines Wettgewinners.«
»Und das, was der armen Griechin hätte geschehen können, das kümmerte Sie nicht?«
»Da muss ich Ihnen ein Geständnis machen. Der Gedanke an die Griechin verursacht mir in der Tat höchsten Kummer«, sagte er und machte ein zerknirschtes Gesicht.
»Wirklich?«
»Wirklich. Wir waren nämlich nicht ganz an das Ziel unserer Wünsche gelangt, sie und ich, als ihr Besitzer so plötzlich zurückkehrte, und es stimmt mich doch traurig, dass sie so viel gewagt hat und dafür nur eine unvollständige Befriedigung erhielt.«
Sie war versucht, sich vorzubeugen und ihn in das dreckige Hafenwasser zu stoßen. Aber am Ende würde er sie mit sich ziehen, und sie konnte nicht schwimmen.
»Die Arme«, sagte Bellino mit steinernem Gesicht.
»Ihre christliche Mitleidensbereitschaft ehrt Sie«, gab er vergnügt zurück, und sie verschränkte die Arme wieder ineinander, um der Versuchung zum Stoß nicht im letzten Moment nachzugeben. Leider waren sie inzwischen am Kai angekommen, und sie musste aufstehen, um wieder an Land zu steigen, was ein Öffnen der Arme und ein Maximum an Selbstdisziplin nötig machte, während Casanova sich die Zeit nahm, erst noch mit dem Fischer zu plaudern, ehe er ihn bezahlte.
Diesmal hakte sich Bellino nicht bei ihrem Begleiter ein, sondern stapfte geradewegs drauflos.
»Bellino, kennen Sie die Geschichte von dem Fuchs und den sauren Trauben? Wenn Sie sich einem Vergnügen versagen, dann ist es doch Ihrer nicht würdig, einer anderen Frau zu grollen, wenn diese sich dieses Vergnügen leistet. Zumal, wenn diese Frau sonst auf einen alten Mann angewiesen ist, dessen Neigungen sich seit fünf Jahren auf die Freuden des Zuschauens beschränken, wie man mir versichert hat.«
»Was heißt hier ›andere Frau‹? Das glauben auch nur Sie. Außerdem sieht es so aus, als wussten Sie, was uns dort erwartete!«
»Das habe ich damit nicht gesagt!«, meinte er, ohne auf den ersten Teil ihrer Frage einzugehen. Von Füchsen und Trauben hatte Bellino noch nicht gehört, aber es war unmissverständlich, worauf er hinauswollte. Sie wusste, dass er ihr nur zu gerne wieder unterstellen würde, sie sei eifersüchtig.
»Ich grolle niemandem«, sagte sie deshalb heftig. »Und ich versage mir nichts. Ich meine aber doch, dass eine Frau, wenn sie aufrichtig ist, nicht gleich dem ersten Antrieb nachgeben sollte wie ein Tier, und genauso wenig ein Mann. Diese Griechin hat sich in mehr als eine Gefahr begeben. Sie konnte nicht wissen, ob Sie sich ebenso stark zu ihr hingezogen fühlen wie sie sich zu Ihnen. Was, wenn Sie sie zurückgewiesen hätten? Dann hätte sie ihr Leben riskiert und nichts als eine Demütigung erhalten. Sie ist sehr hübsch, und alles ist gutgegangen, aber es hätte uns alle den Hals kosten können statt zweiundzwanzig Zechinen für etwas bemaltes Kupfer. Der Kapitän hätte Sie erwischen und dann seine Leute rufen können.«
Sie wartete darauf, dass er nun doch zugab, die Griechin schon vorher gekannt zu haben, und das als Grund dafür offenbarte, warum die Frau sich seiner so sicher sein konnte, oder dass er zumindest eingestand, unverantwortlich leichtsinnig gewesen zu sein. Doch Casanova tat nichts dergleichen. Stattdessen nahm er ihren Arm, was sie zwang, stehen zu bleiben.
»Ausgesprochen schönes Kupfer«, sagte er. »Und Glas aus Murano. Ich wollte den Schmuck eigentlich Ihnen schenken, denn Sie können ihn tragen, weil er nie in Konkurrenz zu Ihrer Schönheit stünde. Die Farben passen zu Ihnen, und Sie tragen schließlich oft genug Frauenkostüme, oder nicht?«
Es lag ihr auf der Zunge, zu sagen, sie könne sich ihren eigenen falschen Schmuck kaufen und pfeife auf seine falschen Schmeicheleien. Aber das würde ihn nur in seinen Eifersuchtsvorwürfen bestätigen. Also trat sie stattdessen näher an ihn heran, so nahe, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte.
»Wenn ich heute Abend für Don Sancho ein Frauenkostüm trage«, sagte sie leise, »fühlen Sie sich dann besser, eine Frau zu sehen und doch zu wissen, dass Sie einen Mann begehren, oder werden Sie sich wieder meinen kindlichen Schwestern
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