Verfuehrung
Kleid. Sie stand so vor ihm, dass man ihn vom Eingang aus nicht unmittelbar sehen konnte, was ihm die Gelegenheit gab, seine Hose in Ordnung zu bringen, während die Tür sich bereits öffnete.
»Mein Schatzkästlein für die lieben Gäste«, strahlte der Kapitän.
»Oh, da bin ich jetzt wirklich gespannt!«, rief Bellino hastig und stürzte zu ihm, teils aus Furcht, der Kapitän würde merken, was gerade vor sich gegangen war, wenn man ihm ausreichend Zeit gab, sich umzusehen, teils, weil sie auf diese Weise etwas anderes tun konnte, als wie angewurzelt herumzustehen und sich zu fragen, was sie gerade beobachtet hatte und warum.
Der Kapitän hatte sie vorher noch nicht laut sprechen hören, doch jetzt glitt die gleiche leichte Grimasse über sein Gesicht, wie sie der venezianische Seemann gezeigt hatte. Wenigstens spie er nicht aus.
»Aber gerne doch«, sagte er stattdessen höflich, klappte den Deckel des Kästchens zurück, das er hielt, und zeigte eine Reihe von Silberkettchen, die Bellino bei ihrer Kostümerfahrung nur angemalte Bronze und buntes Glas zu sein schienen, und ein paar Fläschchen, in denen mutmaßlich die versprochenen Öle und Düfte steckten. »Die Pforte selbst schmückt die Perlen ihres Harems mit keinem schöneren Schmuck«, sagte der Türke.
Bellino hatte keine Ahnung, wen er mit »die Pforte« meinte, da es nicht so klang, als spräche er von einer Tür, aber sie erkannte Aufschneiderei, wenn sie dergleichen hörte. Eigentlich geschähe es Casanova recht, wenn sie ihn für seine wenigen Momente Vergnügen Unsummen für falschen Tand zahlen ließe. Andererseits würde er ihr zweifellos unter die Nase reiben, dass er gerade eine Wette gewonnen hatte, sowie sie das Schiff verließen, und sie versuchte nicht daran zu denken, was er fordern mochte, denn sie hatte es versäumt, das vorher mit ihm zu klären. Gerade jetzt glaubte er bestimmt, dass er die Oberhand hatte. Wie auch nicht, wo diese Griechin noch nicht einmal ein Wort, eine Geste benötigt hatte, um sich ihm hinzugeben? Wenn Bellino auch nur die geringste Missbilligung äußerte, dann würde er dies entweder als Beweis dafür nehmen, dass sie eine Frau, oder dafür, dass sie eifersüchtig war. Oder für beides. Niemals würde er ihre Bemerkung als völlig vernünftige Irritation darüber ansehen, dass er sein Leben und das der Griechin auf eine so dumme Weise riskiert hatte, von Bellinos Leben als Zeugin – als Zeugen – ganz zu schweigen. Sie war ganz gewiss nicht eifersüchtig und von diesem Gockelgehabe alles andere als beeindruckt. Es bewies ihr nur erneut, wie völlig unvernünftig es wäre, sich mit ihm einzulassen. Aber das würde er ihr nicht glauben. Sogar der Umstand, dass ihr mittlerweile Schweißperlen auf der Stirn standen, was einzig und allein daran lag, dass es bei vier Menschen in einer kleinen Kajüte warm geworden war, würde in seinen Augen gegen sie zeugen und seine Eitelkeit nur füttern.
Daher, dachte Bellino, schuldete sie es sich, ein für alle Mal klarzustellen, dass er sie mit diesem tierähnlichen Gevögele weder um ihren Verstand noch um ihre Selbstbeherrschung gebracht hatte.
»Dann werden die Perlen des Harems bald neuen Schmuck verlangen«, sagte sie betont lässig zu dem Kapitän, nahm eine der Ketten auf und rieb an dem Anhänger. »Es sei denn, ihr Herz schlägt immer nur für Bronze.«
»Übelste Verleumdung«, knurrte der Türke, doch schaute ihr dabei nicht in die Augen. An Casanova gewandt, fuhr er fort: »Mein Herr, Euer Eunuch will nur den Preis drücken. Ist das eines Handels unter Männern würdig?«
»Mein Eunuch ist die Wahrhaftigkeit selbst«, sagte Casanova, dem noch nicht einmal mehr der Atem schneller ging, mit deutlicher Belustigung in seiner Stimme. »Üble Nachrede liegt ihm fern. Ist es nicht so, Bellino?‹«
»Die Pforte selbst kennt mich als ehrlichen Händler und weiß meine Dienste zu nutzen!«, donnerte der Türke.
»Die Pforte« stand offenbar für eine höhere Institution oder eine Person mit hohem Posten, wenn »die Pforte« sogar einen Harem besaß. Damit ließ sich arbeiten. »Meine Dame«, sagte Bellino und wandte sich an die Griechin, von einer ganzen Reihe von Gefühlen getrieben, die sie jetzt nicht auseinandersortieren wollte, »macht es Ihnen nicht auch Sorgen, dass Ihr Gatte in Gefahr ist, sein Gesicht«, hier machte sie eine Pause, »vor der Pforte zu verlieren? Nicht auszudenken, was mit ihm und Ihnen geschähe, wenn sich herausstellt, dass irgendein
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