Verfuehrung
zurückgegeben oder versetzt hatte. Melani hatte weder geschrieben, ob sie für eine Männer- oder Frauenrolle engagiert worden war, noch, ob der Impresario ihr ein Kostüm stellen würde. Also hatte sie das hübscheste Frauenkleid behalten. »Der Spanier ist zurück, und wir werden wieder mit ihnen beiden zu Abend essen. Der Wirt sagt, dass Don Sancho sein eigenes Silbergeschirr mitgebracht und gebeten hat, dass es heute benutzt würde.«
»Und weswegen soll ich mich dazu als Frau kleiden?«
»Nun«, erwiderte Petronio betont beiläufig, »du willst doch Eindruck auf Don Sancho machen, damit er dich nach Neapel empfiehlt, oder nicht? Und du siehst gut aus – als Frau.«
Bellino verbat sich, auf diese letzte Feststellung einzugehen. »Don Sancho hatte bei meinem letzten Vortrag meist die Augen geschlossen«, sagte sie stattdessen. »Wenn ihn etwas beeindruckte, dann meine Stimme.«
»Und den Venezianer wird das Kleid und deine Schönheit verrückt machen«, sagte Petronio und grinste. »Wo er doch jetzt endlich glaubt, dass du ein Mann bist, dem Drei-Tage-Regenwetter-Gesicht nach zu urteilen, mit dem er von eurem Ausflug zurückgekommen ist.«
Sie war offenbar ein schrecklicher Mensch, denn diese Feststellung hob ihre Stimmung viel mehr, als sie es vor sich selbst rechtfertigen konnte.
»Wenn dem so ist«, sagte sie und erwiderte sein Lächeln. Dann wurde sie erneut ernst.
»Petronio, hast du je jemanden gehabt, den du so sehr wolltest, dass du für fünf Minuten mit ihm dein Leben riskiert hättest?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe allerdings auch nie fünf Jahre keusch leben müssen und keinen Mann anfassen dürfen, dann einen kennengelernt, der wochenlang nicht mehr tun konnte, als mit mir zu reden und meine Hand zu halten, weil er sich gerade in einem Hospital von einer gewissen Krankheit erholte, dann diesen Mann verloren, gerade, als wir endlich mehr hätten tun können, um ihn dann nach ein paar Monaten unverhofft wiederzusehen.«
Schon nach dem ersten Satz legte sie das Kleid zur Seite, zu dem er ihr geraten hatte, und hörte ihm mit wachsender Verwunderung zu.
»Das sind sehr viele Wenns, und sie klingen ganz und gar nicht wie geraten«, sagte sie misstrauisch.
»Weil ich Ohren habe und weil ein gewisser Abbate einem gewissen Kastilier von einer gewissen Griechin erzählt hat, die ihm heute erneut begegnet ist«, gab Petronio zurück. »Offenbar, um klarzustellen, dass er sich nach wie vor nur von Frauen angezogen fühlt. Weil der Kastilier nämlich eine Bemerkung über ihn und einen uns beiden gut bekannten Kastraten gemacht hat.«
»Ich habe gewusst, dass er die Griechin schon länger kennen muss!«, stieß Bellino hervor und umarmte Petronio.
»Wenn ich einen Rat hinzufügen darf«, sagte dieser und imitierte ihren Bologneser Tonfall überraschend gut. »› Wenn du deinen Körper glücklich machst, wohnt deine Seele noch lieber darin, aber bedenke auch, das ist kein Mann, für den man mehr als Dankbarkeit empfindet. ‹ Cecilia hat sich bei mir beschwert, weißt du.«
»Ich habe nur versucht, ihr zu helfen. Außerdem stimmt es. Und bevor du etwas sagst, ich bin nicht in ihn verliebt. Allerhöchstens bin ich etwas neugierig.«
» Sehr neugierig«, sagte er und zwickte sie in die Nase. Sie schlug seine Hand zur Seite.
»Möglicherweise etwas mehr als ein wenig neugierig«, sagte sie. »Aber keine Sorge. Schließlich schwört er ja nach dem, was du erzählst, immer noch Stein auf Bein, dass ihm die entsprechenden Neigungen fehlen, und jetzt, wo er mich als Mann sieht, wird er mich bestimmt in Ruhe lassen.«
»Sagte der Kastrat in der Hoffnung, dass ihm widersprochen würde«, antwortete Petronio. »Zieh das Kleid an und finde heraus, wie er das verkraftet.«
Petronio hatte nicht übertrieben: Der Tisch in Don Sanchos Zimmer war in der Tat mit Silbergeschirr angerichtet, und zwei seiner Lakaien, die bei seinem letzten Besuch in Ancona abwesend gewesen waren, warteten in voller Uniform ihm und seinen Gästen auf. Wenn ihn Bellinos Anblick in einem roten Frauenkleid verblüffte, dann ließ der Kastilier das nicht erkennen. Er begrüßte Cecilia und Marina mit Handküssen und verbeugte sich vor Bellino, die Mama Lanti wegen einer plötzlichen Unpässlichkeit entschuldigte.
»Teure Freunde, ich hatte gehofft, Sie noch einmal als meine Gäste begrüßen zu dürfen. Es macht mich glücklich, dass meine Hoffnung wahr geworden ist.«
»Wir wären doch nie abgereist, ohne Sie noch einmal
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