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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Champagner«, fügte er hinzu, und Casanova lachte.
    »Nicht dass ich Ihnen hinsichtlich dieser Göttergabe nicht zustimme, Don Sancho, aber verstößt das nicht gegen die Fastenauflagen?«
    »Keineswegs. Champagner mag kein Wasser sein, aber es ist auch kein Bier oder roter Wein«, gab Don Sancho würdevoll zurück. »Außerdem wurde er irgendwie bei den Vorschriften übersehen. Im Übrigen habe ich das Abendmahl eigens darauf abgestimmt, zu beweisen, dass man auch innerhalb der Fastenauflagen köstlich speisen kann. Sie werden Muschelgerichte feinster Art kosten und dazu weiße Trüffel.«
    »Trüffel!«, rief Bellino begeistert, ehe sie sich wieder darauf besann, dass sie heute Abend mysteriös und zurückhaltend sein wollte. Aber es war schwer, denn Trüffel hatte sie in ihrem Leben noch nicht sehr häufig essen können.
    » Ich freue mich auf die Muscheln«, fiel Cecilia ein und schaute zu Casanova. »Muscheln sind viel besser als zerriebene Pilze, nicht wahr!«
    »Als Kenner kann ich beschwören, dass der Gaumen von beiden entzückt wird«, sagte Don Sancho. »Ich habe den Wirt auch angewiesen, dem Rezept zu folgen, das mir der Koch des nunmehrigen Königs von Neapel gegeben hat. Ausgelöste Jakobsmuscheln, eine feingehackte Schalotte, eine sehr feingehackte Knoblauchzehe, ein weißer, sehr zarter Stengel Stangensellerie, das in Röllchen geschnittene Weiße einer Porreestange, drei Esslöffel gehackte Petersilie und fünfzig Gramm Butter auf vierhundert Gramm Muscheln. Dazu Salz und Pfeffer, versteht sich.«
    »Man sieht, warum Sie der Heeresversorger sind«, murmelte Casanova.
    Bellino konnte sich nicht vorstellen, dass einfachen Soldaten eine solche Verpflegung zuteilwurde, und an Petronios kurzer Grimasse erkannte sie, dass er etwas Ähnliches dachte. Schließlich hatte er kurze Zeit mit dem Gedanken gespielt, Soldat zu werden. Wenn er das getan und überlebt hätte, dann hätte er dennoch nie einen Posten wie den Don Sanchos erlangen können, nicht als Mann einfachen Standes ohne Familie mit Geld und Titel. War es da ein Wunder, wenn er und Cecilia und Marina nicht einsahen, warum sie sich plagen sollten, wenn einen harte Arbeit doch nicht weiter brachte als der eigene Körper, nicht, solange man von niederer Geburt war?
    Für Kastratensänger ist es anders, hielt sich Bellino hastig vor Augen . Unsere Stimme gibt uns den Schlüssel, die Welt zu erobern, ganz gleich, wie niedrig wir geboren sind. Farinelli hat es bewiesen. Eines Tages werde ich so reich sein, dass ich jeden Tag Gäste zu so einem Essen mit Silberbesteck laden kann, und ich werde es durch meine Stimme und mein Können erreicht haben.
    Der Gedanke besänftigte sie nicht. Sie wusste selbst nicht, warum etwas, das sie eigentlich immer als selbstverständlich hingenommen hatte, die Ungleichheit der Welt, die Art, in der Aristokraten wie die Contessa oder Don Sancho je nach Laune entweder ausbeuterisch oder großzügig sein konnten, nicht aufgrund eigenen Verdienstes, eigenen Fleißes, eigenen Verstands, sondern nur, weil sie als Adlige geboren waren, sie auf einmal störte. Aber so war es. Mama Lanti, welche nie eine Schule besuchen konnte, hatte vor einiger Zeit etwas dazu gesagt: »Wenn du den Charakter eines Menschen erkennen willst, gib ihm Macht«, aber wer hatte dabei bisher bestanden? Allerlei ungeformte Gedanken bewegten sich in ihr und verflochten sich mit ihren verworrenen Gefühlen. Und es half ihr bei alldem nicht weiter, sich zu fragen, ob sie sich wirklich wünschte, von Giacomo Casanova als Mann behandelt zu werden, oder eine Fortsetzung seines Werbens begrüßt hätte.
    »Das klingt in der Tat köstlich«, sagte sie laut und ließ sich von dem unausgegorenen Mischmasch in ihrem Inneren leiten. »Um sich gebührend zu bedanken, müssen wir eigentlich mehr tun, als nur für Sie zu musizieren. Wie wäre es mit einer rein italienischen Kunstdarbietung, die unsere Welt verschönt, wirklich nirgendwo sonst zu finden ist und an der nicht nur ich und meine Geschwister, sondern auch Signore Abbate teilnehmen kann?«
    Don Sanchos graumelierte Augenbrauen schossen in die Höhe. »Eine solche Kunst gibt es?«
    »Fragen Sie den Abbate«, sagte Bellino unergründlich. Es war eine Probe seines Verstandes und eine Stichelei in einem; eigentlich sähe es Casanova ähnlich, eine Anzüglichkeit zu vermuten oder ihre Worte zu einer solchen zu machen. Seit dem abrupten Ende ihres Spaziergangs hatte er nicht mehr direkt mit ihr gesprochen, und sie

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