Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
wollte wissen, woran sie mit ihm war. Und sie hatte wirklich etwas Bestimmtes im Sinn.
    »Ich sollte beleidigt sein, dass Sie mich nicht für fähig halten, mich an einer musikalischen Darbietung zu beteiligen«, meinte Casanova langsam und musterte sie. Er hatte noch immer seine ausdruckslose Miene aufgesetzt. »Glauben Sie nicht, dass ich ein Instrument spielen könnte?«
    »Es käme mir nie in den Sinn, Ihnen zu unterstellen, dass Sie etwas nicht anpacken, wenn es sich Ihnen anbietet«, entgegnete sie und setzte eine Kunstpause, wie sie bei einem Rezitativ üblich war. Hinter Casanovas Rücken hob Petronio einen Daumen in die Höhe. »Aber ob Sie ein Instrument gut spielen würden oder in Ihrer Hast nur Misstöne hervorbrächten … das weiß ich wirklich nicht zu sagen.«
    In der plötzlich eintretenden Stille war das Knarzen der sich öffnenden Tür deutlich zu hören. Der Wirt und Don Sanchos Lakaien trugen die Teller mit den Muscheln herein, dazu die Trüffel, um sie über die Gerichte zu reiben, und Weißbrot, das er neben jeden der Teller legte.
    »Kein Instrument ist so erhaben wie die Schönheit der menschlichen Stimme, aber wenn ich ein Instrument spiele«, sagte Casanova und rückte ein wenig zur Seite, um dem Wirt für das Reiben der Trüffel Raum zu geben, »dann bin ich gut darin. Es würde mich durchaus interessieren, wenn ich Vivaldis Jahreszeiten spiele und seine Vögel zwitschern lasse, ob ich das länger durchhalte als Sie mit Ihrer Stimme.«
    »Wenn Sie Trompete spielen würden, nähme ich die Wette an. Bei einer Geige ist das aber ein ungerechter Vorschlag, da er Ihnen vielleicht einen steifen Arm, mir aber einen schmerzenden Hals einbringt, und Sie ernähren sich nicht von Ihrem Arm, während ich von meinem Hals lebe. Daher verzichte ich lieber darauf, Ihre Fertigkeiten zu überprüfen.«
    »Aber Sie haben ja deutlich zum Ausdruck gebracht, Bellino, dass Sie eine Beteiligung meinerseits wünschen.«
    »An einer musikalischen Darbietung ja, aber nicht wieder ein Solostück, was Sie so lieben«, gab sie zurück. »Weil Musik für mich etwas ist, das ich so ernst wie den Atem zum Leben nehme. Aber ich denke doch, dass wir auch gemeinsam etwas weniger Ernstes tun können.«
    Jetzt warf Petronio beide Hände in die Höhe, was entweder hieß, dass er aus ihrem Vorgehen nicht klug wurde oder dass es ihn begeisterte. Casanova lehnte sich zurück.
    »Die italienischste aller Künste.«
    »In der Tat.«
    »Ah, aber unser Italien birgt so viele unterschiedliche Seelen in seiner Brust. Wir Venezianer schätzen es ganz und gar nicht, mit Sizilianern in einen Topf geworfen zu werden, was auch immer die Florentiner sich einbilden, hervorgebracht zu haben, stammt wahrscheinlich doch aus Venedig, und was nun gar Bologna angeht …«
    »In Bologna hätten wir schon längst mit dem Muschelessen anfangen dürfen«, warf Marina ein. »In Rimini auch.«
    »Bologna die Gelehrte hatte schon eine Universität, als es in Venedig noch kaum Schulen gab«, erwiderte Bellino, sie ignorierend, »aber ich will gerne zugeben, dass die Kunst, die ich meine, in Venedig ein wenig besser praktiziert wird als sonst irgendwo. Obwohl ich bisher nicht viel davon habe beobachten können.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Seine Lippen formten lautlos das Wort »Hexe«, und dann grinste er.
    »Dann weiß ich Ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten umso mehr zu schätzen, Bellino.«
    »Darf ich endlich erfahren, um welche Kunst es geht?«, erkundigte sich Don Sancho, der mittlerweile doch etwas irritiert wirkte.
    »Die Commedia dell’Arte, Don Sancho«, sagte Casanova. Cecilia, die gerade noch verstohlen Brotkügelchen gedreht hatte, hob den Kopf und klatschte in die Hände. Marinas Schmollmiene heiterte sich jäh auf. Petronio pfiff durch die Zähne, und Bellino brach in Gelächter aus.
    »Ich bitte um eine Erklärung«, sagte Don Sancho etwas steif. Ein Hauch von Beunruhigung streifte Bellino. Sie hatte ihn nicht verärgern wollen.
    »Jeder liebt die Commedia dell’Arte«, sagte sie. »Gewiss haben Sie schon ein paar Figuren auf den Straßen gesehen. Arlecchino, Brighella, Colombina, Paggliachio, Dottore, Pantalone … sie werden überall gespielt, im Theater und auf den Marktplätzen. Es ist genau festgelegt, wie sie sein müssen, doch es geht nur darum, zu improvisieren.« Sie schaute von ihm zu Casanova und wieder zurück. »Das ist die italienischste aller Künste. Commedia improvvisa. Fioriture. «
    »Ich will Colombina sein«,

Weitere Kostenlose Bücher