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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gesehen zu haben«, sagte Bellino herzlich.
    »Werden Sie wieder für uns singen?«
    »Mit Vergnügen.«
    Es war ein eigenartiges Gefühl, nach Jahren ohne den Schutz einer Bühne oder eines Kostümballs wieder in einem Kleid zu gehen, zu stehen und zu sitzen. Sie musste ihre Röcke anders raffen als einen männlichen Überrock, um sich zu setzen, als Don Sanchos Lakai ihr einen Stuhl zurechtrückte. Da ihr Brustausschnitt nicht, wie bei einem männlichen Spitzenhemd, bedeckt war, war es ihr fast komisch, wie der erste Blick sowohl der Lakaien als auch Don Sanchos auf einmal nicht mehr ihrem Gesicht, sondern ihren Brüsten galt, ganz gleich, wohin sie als Nächstes dann schauten.
    Das hatte sie bisher noch nicht in ihr eigenes Verhalten eingebaut, wenn sie Männerkleidung trug. Vielleicht sollte sie das tun. Andererseits musste das Gleiche nicht für Kastraten gelten. Melani war Cecilia und Marina mehrfach begegnet, ohne ihnen als Erstes auf den Busen zu schauen.
    Es kam ihr in den Sinn, dass Casanova, der sich noch nicht im Raum befand, am Ende genau wie Mama Lanti Unwohlsein vorschützen könnte und sie sich dann genauso gut in Hosen hätte an den Tisch setzen können. Ihr Haar war unter ihrer Perücke streng zusammengebunden, und es mussten wohl die schmerzenden Haarwurzeln sein, die ihr einen Stich bei diesem Gedanken gaben.
    »Ich weiß nicht, ob Sie Ihr Weg auch nach Rimini und Pesaro führen wird«, sagte sie zu Don Sancho, »aber das sind meine nächsten Ziele, und da können Sie mich in der Oper hören. Oder ziehen Sie konzertante Aufführungen vor?«
    Er strich sich über den Schnurrbart. »Das Problem mit der Oper in diesem Land ist doch, dass man manchmal die Sänger kaum versteht. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen im Publikum, in der Vorhalle wird Pharo gespielt, und wenn dann noch die Anhänger verschiedener Sänger miteinander streiten, ist der Krach geradezu infernalisch. Bei uns in Spanien würde das nie geduldet.«
    »Ah, aber hat man in Spanien denn überhaupt Komponisten und Sänger, die sich zu hören lohnt?«, fragte Casanovas Stimme vom Zimmereingang her. »Nichts für ungut, mein Freund, aber Ihre Heimat, so scheint mir, spezialisiert sich darauf, die Welt zu beherrschen, und bringt Krieger und Heilige hervor, oder gelegentlich auch Kriegerheilige, wie den Gründer des Jesuitenordens. Wohingegen alles, was die Welt verschönt, aus den italienischen Staaten kommt.« Er betrat den Raum, Petronio hinter sich, und begrüßte wie Don Sancho Marina und Cecilia mit einem Handkuss, ehe er sich vor Bellino verbeugte. Seine Verbeugung fiel allerdings sehr knapp aus. »Alle Gäste hier im Raum beweisen meine Worte, würde ich sagen«, schloss er, und sie konnte an seiner Miene nicht erkennen, ob er feindselig oder versöhnlich gestimmt war.
    »Wir Spanier haben mit Cervantes den größten aller Schriftsteller hervorgebracht«, nahm Don Sancho die Herausforderung sofort auf, »und mit Calderon den größten aller Dramatiker. Außerdem will ich behaupten, dass unsere Welteroberungszeiten vorbei sind. Damit sind Sie widerlegt.«
    Bellino hatte weder von Cervantes etwas gelesen noch ein Stück von Calderon gesehen, und ganz gleich, ob Spanien seine größten Zeiten schon hinter sich hatte oder nicht, offenbar waren die Spanier noch mächtig genug, um hierzulande mit Österreichern und Franzosen Krieg zu führen. Wenn sie aber das sagte, dann würde es so klingen, als unterstütze sie Casanova gegen Don Sancho, und das wollte sie nicht. Nichts zu sagen und wie Cecilia und Marina sich gegenseitig mit den Ellbogen anzustoßen oder mit den Lidern zu klimpern war auch keine Lösung, wenn sie Eindruck auf Don Sancho machen wollte. Immerhin brachte der Gedanke an die Kriege auf italienischem Boden sie auf einen Einfall.
    »Wäre ein Franzose hier, so würde er gewiss erklären, dass Sie alle beide unrecht haben, meine Herren«, sagte sie. »Richten wir uns nicht alle mehr und mehr nach der französischen Mode? Solange ich denken kann, ist das schon so. Und die Franzosen sind es, mit denen Ihre Heimat, Don Sancho, immer wieder die Waffen kreuzt, also kann man ihren Anspruch darauf, die Welt sowohl zu verschönern als auch beherrschen zu wollen, nicht bestreiten.«
    »Das ist wahr«, stimmte Don Sancho zu, »und mit einem zumindest haben sie uns beschenkt, das ich nicht missen möchte.«
    Er schnipste mit den Fingern und wies seine Lakaien an, seinen Gästen einzuschenken.
    »Nicht moussierender

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