Verführung auf Burg Kells (German Edition)
widerstehen. „Du weißt wohl nicht viel über ihn, wie?“
Ebony setzte sich aufs Bett und begann ihr Haar zu flechten. „Über Sir Alex? Nein, ich weiß so gut wie nichts über ihn.“
„Warum nicht? Hast du ihm nie Fragen gestellt?“
„Nein.“ Die knappe Antwort klang ein wenig zu schroff, und wieder hatte Ebony das Bedürfnis, sich näher zu erklären. „Er stellte Nachforschungen über meinen verstorbenen Schwiegervater an“, sagte sie. „Deshalb waren wir anfangs nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen, wie du dir vorstellen kannst. Dann musste ich aus familiären Gründen nach Dumfries reisen, und er will weiter ins Kloster Lanercost, das ist alles.“
„Ach, dann lernst du ihn ja dort kennen.“
Ebony hielt mit dem Flechten inne, und ihr forschender Blick suchte Helens Mienenspiel im Kerzenschein, doch ihr Gesicht war zur Hälfte von goldenen Locken verborgen. „Wen denn?“
„Alex’ kleinen Sohn. Er dürfte etwa so alt sein wie dein Kind.“
Ein Knoten schnürte Ebonys Kehle zusammen, ihre Stimme klang gepresst. „Ein Sohn? Er hat … einen Sohn? Nein, das wusste ich nicht.“
Wie Recht Helen hatte, sie wusste wirklich nicht viel über ihn.
„Eigentlich verrate ich ja kein Geheimnis, da du ihn morgen ohnehin siehst. Er lebt bei den Mönchen im Kloster.“
„Hat er denn keine Mutter?“
„Offenbar nicht. Ein Kloster ist nicht unbedingt ein sicherer Ort für ein kleines Kind in einer Gegend, die ständig von Plünderungen heimgesucht wird. Das Kloster liegt nur einen Steinwurf vom Hadrianwall entfernt.“
Sie konnte Helen kaum einen Vorwurf daraus machen, ihre Frage beantwortet zu haben, ahnte allerdings nicht, welche Genugtuung das junge Mädchen empfand, als sie beobachtete, wie der Schock Ebonys Gesichtszüge versteinerte. Nach der stürmischen Szene mit Alex im dunklen Vorraum hatte Ebony sich in den schwach erleuchteten Teil der Halle zurückgezogen, um dem Klang der Worte nachzuhängen, die sie sich niemals von dem Mann erhofft hatte, den zu lieben sie sich nun eingestehen durfte. Nach diesen letzten Neuigkeiten hörte sie seine Worte allerdings mit einem anderen Beiklang, als trage sein Geständnis ein zusätzliches Gewicht an Verantwortung, als sei eine Bedingung daran geknüpft. Sie war froh, mit Vorsicht darauf reagiert zu haben.
Als sie neben Helen in dem breiten Bett lag und der beißende Rauch der gelöschten Kerzen über ihr verwehte, erinnerte sie sich daran, wie sie ihn einmal gefragt hatte, wie oft er die Kinder sah, die er in die Welt gesetzt hatte. Seine Antwort „nicht oft genug“ hatte ihr damals wenig bedeutet, abgesehen von seiner Absicht, sie zu kränken. War das Kind, das er in die Obhut der Augustiner Mönche in Lanercost gegeben hatte, ein unehelicher Sohn? War er so früh ins Kloster gesteckt worden, um Mönch zu werden, ein Schicksal, das der Knabe mit den jüngsten Söhnen aus Adelshäusern oder unehelich geborenen männlichen Nachkommen von Adeligen teilte? Es hatte wenig Sinn, Schlussfolgerungen zu ziehen, solange sie nicht die ganze Geschichte kannte, was er mit seinem Versprechen, ihr bald zu sagen, was er dachte, zweifellos beabsichtigte. Nach der Liebeserklärung an eine trauernde Witwe würde er die Bitte an sie richten, sein Kind in ihre Obhut zu nehmen, während er weiterhin im Auftrag des Königs durch die Lande zog. Es war gar nicht so schwer zu erraten, was in ihm vorging. Vielleicht sollte sie dankbar dafür sein, eine Warnung erhalten zu haben.
Trotz Ebonys Skepsis und Helens Herzeleid bot Mistress Betty Springfield ein höchst ungewöhnliches Bild, als sie im Morgengrauen leise die Tür des Schlafgemachs öffnete, um ihre Tochter und ihre Besucherin zu wecken. Auf dem breiten Bett kauerten vier junge Frauen, drei blonde und eine rabenschwarze, und zupften einander in hingebungsvollem Schweigen die Augenbrauen, nur von einem gelegentlichen spitzen Schmerzenslaut unterbrochen. Mit einem resignierten Seufzer sank die Hausherrin auf den nächsten Hocker. „Was Besseres könnte euch in aller Herrgottsfrühe wohl nicht einfallen.“
Ebony und Alex waren bei ihrer Abreise aus Castle Kells der Überzeugung gewesen, Hugh und Meg in einem erzwungenen, aber relativ stabilen Waffenstillstand zurückzulassen, in dem die beiden Streithähne sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten. Seither war allerdings kaum eine Stunde verstrichen ohne Zank und Sticheleien von Megs Seite, die der Meinung war, dies sei die beste Methode, Hugh of
Weitere Kostenlose Bücher