Verfuehrung Auf Hoher See
dass er unsere Heirat hinterhältig und selbstsüchtig eingefädelt hat, er hat mir auf dem Sterbebett versprochen, testamentarisch für Anna gesorgt zu haben.“ Verächtlich schüttelte Selina den Kopf. „Selbstverständlich bleibt Anna in der Villa wohnen. Und da du meine Aktien in den nächsten Jahren verwaltest, muss ich wissen, ob die jeweils ausgeschütteten Dividenden die Hypothekenschulden abdecken, sodass ich Anna eine angemessene Summe zur Verfügung stellen und ihr Gehalt weiterzahlen kann, bis sie in den Ruhestand geht. Am liebsten wäre es mir, wenn du deine Aktien zurückkaufen würdest. Dann dürfte mir genug bleiben, um die Schulden zu tilgen und Anna zu versorgen. Sobald das geregelt ist, trennen sich unsere Wege endgültig, Rion. Entscheide dich schnell. Ich weiß, deine Zeit ist kostbar.“ Den Seitenhieb konnte sie sich nicht verkneifen. „Ich habe für morgen Abend einen Flug ab Athen gebucht und möchte alles unter Dach und Fach wissen, ehe ich gehe.“
Befremdet richtete Rion sich auf und betrachtete Selina. Widerstreitende Empfindungen stürmten auf ihn ein. Mit dieser Entwicklung der Dinge hatte er nicht gerechnet. Selina war so wunderschön. Das lange rotblonde Haar rahmte ihr Gesicht und fiel ihr über die schmalen Schultern und die sanften Rundungen ihrer Brüste, die sich unter der Seide deutlich abzeichneten. Obwohl sie die Beine züchtig übereinandergeschlagen hatte, strahlte sie eine Sinnlichkeit aus, deren sie sich nicht bewusst war. Verlangen stieg in ihm auf.
Abwartend hielt sie den Kopf geneigt und wirkte erstaunlich kühl.
Wo war ihre Unschuld geblieben, die ihn sofort in ihren Bann geschlagen hatte? Selina wollte ihn nie wiedersehen. Dabei war er der Betrogene! Er hatte sie im Bett mit einem anderen Mann erwischt. Seitdem dürfte es genug andere gegeben haben …
Rion rief sich zur Ordnung. Warum sich wieder aufregen? Er würde mit Selina schlafen, es genießen und sie dann endgültig aus seinem Leben streichen …
Doch erst musste er wissen, wofür sie das Geld brauchte.
„Anna geht mich nichts an“, erwiderte er schließlich. „Es ehrt dich aber, dass du dich um ihr Wohlergehen sorgst. Seltsam finde ich nur, dass du das Geld so schnell brauchst. Nach unserer neunwöchigen Ehe hatte ich dir eine stolze Abfindung überwiesen. Da würde es mich natürlich interessieren, was du damit gemacht hast. Du hast das Geld doch hoffentlich nicht restlos ausgegeben?“
Locker legte er den Arm so auf die Rücklehne, dass seine Hand Selinas Schulter berührte. Triumphierend stellte er fest, dass sie erschauerte.
„Als Geschäftsmann ist es nicht meine Art, gutem Geld schlechtes nachzuwerfen.“ Er merkte, wie sie die langen Wimpern senkte, sodass er den Ausdruck in ihren Augen nicht sehen konnte. Also war sie längst nicht so gleichmütig, wie sie sich gab.
Er wartete …
Selina war beunruhigt. Am liebsten hätte sie Rions Hand weggeschoben, doch inzwischen hatte sie gelernt, Männern gegenüber keine Schwäche zu zeigen. Am besten sagte sie ihm einfach die Wahrheit.
„Wie geplant, habe ich mein Studium damals wieder aufgenommen. Von Tante Peggy wusste ich, dass ich alle Zwischenprüfungen bestanden hatte. Ende September ging ich wieder zur Uni, drei Jahre später hatte ich mein Diplom in der Tasche. Seitdem reise ich als Dolmetscherin in der Weltgeschichte herum. Mandarin und Arabisch sind gefragt. Ich verdiene recht gut. Was meine Abfindung betrifft, so habe ich einen Großteil davon Wohltätigkeitsprojekten für Kinder zukommen lassen.“
Erst jetzt versuchte sie, Rions Hand abzuschütteln. Es gelang ihr nicht.
Der selbstbewusste Weltmann Orion Moralis war sprachlos. Er hatte keine Ahnung davon gehabt, dass Selina ihr Studium abgeschlossen hatte. Vor der Eheschließung hatte er als selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie ihre beruflichen Ambitionen aufgab. War er wirklich so hochtrabend und gefühllos gewesen, sich nicht einmal danach zu erkundigen?
Ja, musste er sich eingestehen. Es hatte ihm völlig genügt, Selina ins Bett zu bekommen. An andere Dinge hatte er keinen Gedanken verschwendet.
Einen Augenblick lang schämte er sich.
Dann fiel ihm die Scheidung wieder ein – wie gerissen Selina ihn ausgetrickst hatte. Kein Wunder, dass sie ihr Studium mit Glanz und Gloria abgeschlossen hatte. Ansonsten …
Zum ersten Mal betrachtete er sie kritisch: ihre schönen Züge, die sinnlichen Lippen … „Sehr nobel von dir“, sagte er nur. Dass sie so viel Geld für
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