Verfuehrung Auf Hoher See
Anblick stockte ihm der Atem. Nun trug sie also doch Jeansshorts, T-Shirt und Flipflops und unterhielt sich entschieden zu vertraulich mit Marco. Sie strahlte den Kerl förmlich an, ihre Augen leuchteten, und ihr Haar schimmerte in der Sonne wie gesponnenes Gold.
„Kommt nicht infrage.“ Rion ging die letzten Stufen hinunter. „Ich entscheide, wo wir essen.“ Das war nicht nett von ihm, aber er fand es unerträglich, wie sie Marco anlächelte.
Verwundert wandte Selina sich ihm zu. Rion hatte geduscht, war frisch rasiert und trug ein kariertes Hemd zu hellen Shorts … und wirkte so umwerfend und herrisch wie immer …
„Jawohl, großer Meister“, erwiderte sie spöttisch und lächelte Marco verständnisinnig zu, bevor sie es sich auf einer Sonnenliege beim Tisch bequem machte.
Marco stellte eine Schüssel Salat, eine Platte mit köstlich aussehenden Meeresfrüchten und eine weitere mit einer Auswahl an Fleisch auf den Tisch.
„Du lernst schnell, Schatz“, bemerkte Rion trocken. „Wo ist dein Bikini?“
„Den habe ich vergessen. Entschuldige“, setzte sie übertrieben liebenswürdig hinzu.
Ihr Widerspruchsgeist schien ihn nur zu amüsieren. Rion öffnete einige weitere Knöpfe seines Hemds und streckte sich genießerisch auf einer anderen Liege aus.
„Danke, Marco. Ich schenke den Wein ein.“ Damit war der junge Mann entlassen.
„Iris hat dich zu Recht als Sklaventreiber bezeichnet. Ich hätte auf sie hören sollen.“ Selina zog sich eine Platte heran und tat Salat, Garnelen, Langostinos und knackiges Stangenbrot auf ihren Teller. Erst der Fisch, dann das Fleisch. „Was macht Iris jetzt eigentlich?“, fragte sie locker und kostete einen Langostino, während Rion eisgekühlten Weißwein in zwei Gläser schenkte.
„Sie hat einen Australier griechischer Abstammung geheiratet und lebt mit ihm an der Goldküste. Inzwischen haben sie einen Sohn und erwarten jeden Tag ihr zweites Kind. Helen ist oft bei ihnen und geht völlig in ihrer Rolle als liebende Großmutter auf.“ Er bediente sich großzügig von dem Salat und dem Fleisch und begann zu essen.
„Und dein Vater?“, erkundigte sich Selina zwischen zwei Bissen. „Ich könnte mir vorstellen, dass er den Jungen nach Strich und Faden verwöhnt.“
Rion legte das Besteck weg und sah sie ernst an. „Das konnte er leider nicht mehr. Er ist vor fünf Jahren gestorben. Aber damit mussten wir rechnen. Wir wussten, dass er ein schwaches Herz hat und seine Zeit begrenzt ist.“
„Tut mir leid, das zu hören. Ich wusste ja, wie nahe ihr einander steht. Sein Tod muss ein harter Schlag für dich gewesen sein“, setzte sie leise hinzu.
„Spar dir das falsche Mitleid, pethi mou “, wehrte er ironisch ab. Pethi mou hatte er sie früher zärtlich genannt. „Zu dir würde es besser passen, auf seinem Grab zu tanzen. Ich weiß, dass dein Großvater dir von dem Übernahmedeal mit meinem Vater erzählt hat, der dich einschloss.“ Gleichmütig zuckte er die Schultern, doch seine Züge wurden hart. „Die Reederei an meinen Vater zu verkaufen sollte sein krönender Abschluss vor dem Ruhestand werden. Sein letzter großer Erfolg. Zwei Monate nach seiner Rückkehr von der Kreuzfahrt um die Welt ist er gestorben. Ende der Geschichte.“ Er nahm Messer und Gabel wieder in die Hand und aß weiter.
Selina tat es nach kurzem Zögern ebenfalls. Etwas an dem Bericht störte sie. Eigentlich konnte das noch nicht ganz das Ende der Geschichte sein.
Vorsichtig begann sie: „Wenn dein Vater …“
„Genug, Selina.“ Rion warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. „Wir wollten die Vergangenheit ruhen lassen, hast du das vergessen?“ Er trank sein Glas aus und stand auf. „Wenn du fertig gegessen hast, führe ich dich auf der Jacht herum.“
Seelenruhig aß sie eine weitere Garnele. Hetzen ließ sie sich nicht. Unauffällig betrachtete sie Rion. Er war ein Energiebündel und rastlos wie immer. Daran würde sich nichts ändern. Er arbeitete unermüdlich und amüsierte sich mit der gleichen Rastlosigkeit. Stillstand gab es bei ihm nicht. Keine Frau konnte ihn halten.
Einige Augenblicke lang gestattete Selina sich noch, den atemberaubenden Meerblick zu genießen, dann stand sie auf und nickte Rion zu. „Also gut. Fang mit der Führung an.“ Gemütliches Entspannen gab es für ihn nicht. „Ehrlich gesagt, wundert es mich, dass du Kreuzfahrten unternimmst. Auf See tagelang zum Nichtstun verdammt zu sein und nur die Aussicht zu genießen passt so gar nicht zu
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