Verfuehrung auf Probe
Appartement und wage den Aufstieg in meinen Kühlschrank. Ich muss telefonieren. Mit Monique.
„Wo bist du?“, kreischt meine geschäftstüchtige Chefin. „Monsieur Cheval hat bereits tausend Mal hier angerufen. Er hat Angst, dass dir etwas passiert ist. Falls du noch lebst, soll ich dir sagen, dass es ihm leid tut. Was auch immer.“
Jetzt erwartet Monique von mir, dass ich sie über die Geschehnisse aufkläre, die für die morgendliche Aufregung sorgen, die sie so gar nicht mag, aber ich sage nur an, was ich als nächstes unternehme: „Ich fahre jetzt gleich mit der Metro zu Monsieur und klingele an seiner Tür. Es wäre ganz reizend, wenn er oder sein Personal mir öffnen würden. Dann kann ich meinen Auftrag weiter ausführen.“
„Gott sei Dank“, stöhnt Monique, „Gott sei Dank! Ich rufe ihn an. Ciao, Nicki.“
Monique hat mich Nicki genannt. Diese Schlange! Wahrscheinlich hat sie schon ihr Honorar die Seine hinabfließen sehen.
Ich knöpfe meine dicke Winterjacke zu , nehme ein paar Euro aus meinem Geldversteck und stürme aus dem Haus. Im Schweinsgalopp passiere ich Madame Vivouches Wohnungstür. Ich liebe meine kleine, kulleräugige Nachbarin, aber für Fragen und Lügen habe ich heute nicht die Nerven. Ich muss mich beeilen. Monsieur Tintin braucht frisches Wasser und Futter. Am besten bevor Pavel oder gar Eric ihn in meinem Zimmer entdecken.
Bis ich die U-Bahn an der Station Cité verlasse, verläuft der weitere Morgen ereignislos. Auch auf dem recht kurzen Fußweg bis zu Erics Haus geschieht nichts Bedeutendes. Beruhigt darüber, dass Eric sich meinetwegen Sorgen gemacht hat, schlendere ich über das Pflaster der Ile Saint-Louis, werfen noch einen Blick auf die ruhige, schöne Straße und presse dann meinen Zeigefinger auf Erics Klingel. Wer weiß, vielleicht hat er mich ja so richtig vermisst und empfängt mich mit einem großartigen Frühstück? Sozusagen als Wiedergutmachung. Mir knurrt auch schon der Magen. In Gabriels Appartement habe ich leider nichts zum Essen gefunden und den Baseballschläger, in den sich während meiner Abwesenheit das Baguette in meiner Wohnung verwandelt hatte, wollte ich nicht annagen.
Als hätte Eric mir direkt hinter der Tür aufgelauert, reißt er sie so gut wie gleichzeitig mit meinem Klingeln auf.
Mein Gott. Vor Schreck beginnt mein Herz zu bummern. Was ist denn mit dem los? Das sieht mir aber nicht nach Sorgen aus. Eher nach Wut. Oder so.
Eric packt meine Rechte und zieht mich ins Haus. Nicht wirklich brutal, eher aufgeregt. Aber so gefällt mir das nicht.
Die Tür fällt mit ihrem vornehmen Plopp ins Schloss.
„ Bonjour erstmal“, sage ich, während ich hinter ihm herstolpere.
Mein Auftraggeber sieht nicht aus, als hätte er gut geschlafen. Jetzt erst entdecke ich die Zeitung in seiner Hand. Hey, will er mich damit verdreschen?
„ Oh, Chérise“, keucht Eric. Seine schwarzen Augen sehen mich nicht gerade beruhigend an. „Das tut mir so leid.“
Ich nehme die aufgeschlagene Zeitung, die Eric mir entgegenhält, in meine Hände und fahnde in seinem schönen Gesicht nach Anhaltspunkten, die mir helfen, seine Stimmung einzuordnen. „Ist irgendwo eine Bombe hochgegangen? Am Flughafen? Oder ist das Boot …“
Abgesoffen, wollte ich sagen. Und mich sch on freuen, da ich davon ausgehe, dass die Passagiere sicherlich außer ein paar nassen Haaren nicht viel abbekommen hätten. Und für jeden BDSM-Club weniger schlage ich eine Kerbe in meinen Bettpfosten. Doch die Schlagzeile, in der das Wort Orchidée Noire vorkommt, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Ganz besonders wegen des großformatigen Fotos.
Lack-und-Leder-Architekt flieht mit Escort-Lady von Orchidée Noire
Mit groß aufgerissenen Augen starre ich mir aus der Zeitung entgegen. Da besteht gar kein Interpretationsspielraum. Das bin eindeutig ich. Wie ich an der Pont de la Bourdonnais hänge, ein Bein auf der Brücke, das andere nackt in der Luft baumelnd, das schwarze Seidenkleid flattert im Wind, während Eric nach meinen Handgelenken greift und unter uns die Orchidée Noire entlangtuckert.
Kapitel 5
„Ach, du liebe Scheiße!“, entfährt es mir. „Ach, du liebe Scheiße. Ach, du liebe Scheiße.“
Ich kriege mich gar nicht mehr ein, und zwar aus gutem Grund: Ich bin enttarnt.
Regel Nummer 1 für alle Escort-Ladies: Deine wahre Identität muss unter allen Umständen geheim bleiben. Dazu gehört: Keine öffentlichen Auftritte. Keine Beweise in Form von Fotos. Wenn sich
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