Verfuehrung auf Probe
uns. Baiser. Küsschen.“
Bei mir geht es auch drunter und drüber. Gelinde gesagt. Ich habe gerade meine Identität verloren. Und meine Mutter und meine Schwester bei der Familie und bei den Nachbarn unmöglich gemacht. Und jetzt hab ich auch noch echten, ausgeliehenen Diamantschmuck bei meinem Lover liegen lassen. Ich dreh gleich durch.
„Ich muss los“, keuche ich. Mein Blutdruck müsste ungefähr bei zweihundert liegen. „Ich habe den Schmuck heute Morgen in meiner Wohnung vergessen.“
„Ich fahre dich“, Eric hält mich zurück, „ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustieße.“
„Was soll mir denn zustoßen?“ Ich sehe ihm direkt in die glühenden, schwarzen Augen. „Oder hast du Angst, dass ich nicht mehr zurückkomme mit den Juwelen. Eins kannst du mir glauben, Eric: Ich mag gestern Abend das Leben meiner Mutter zerstört haben. Von meinem eigenen ganz zu schweigen. Aber ich bleibe niemals irgendjemandem etwas schuldig. Schon gar keinen Schmuck, den ich mir in meinem gesamten Leben nie werde leisten können.“
„Ich fahre dich“, beharrt Eric, packt mich am Arm und zieht mich mit sich. Als wir im Aufzug stehen, nimmt er mich in die Arme und streichelt mir tröstend über den Rücken.
Ich bin froh, dass er nicht behauptet, alles würde gut, denn das wäre in meiner Situation das letzte, was ich glauben würde.
Eric verfrachtet mich auf den Beifahrersitz, er klemmt sich hinter das Steuer. Dank Erics Fahrstil vergesse ich für eine halbe Stunde alle meine Sorgen. Eigentlich wollte ich vom Auto aus telefonieren, aber ich bin so sehr damit beschäftigt, die auf meiner Seite nicht vorhandenen Bremsen durch den Boden zu treten, dass ich zu nichts komme. Nicht einmal dazu, über mein verdammtes Leben nachzudenken. Ich glaube, es ist ein Wink des Schicksals, dass wir den Place des Abbesses lebendig erreichen. Irgendein Schutzengel muss trotz allem über mir schweben.
„Hast du überhaupt einen Führerschein“, frage ich, als ich dazu wieder halbwegs in der Lage bin. Eric parkt den dekadenten Bentley zwischen zwei verbeulten Rostlauben vor meinem Haus.
„Hier wohnst du“, murmelt Eric, ohne auf meine Frage einzugehen . Er steigt aus und sieht sich um, bevor er mir in den Hauseingang nacheilt. „Nicolette Poison wohnt am Place des Abbesses. Weißt du eigentlich, dass dieses Gebiet demnächst vollständig renoviert wird? Die Gegend um diesen Platz wird innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre zu einem In-Viertel. Es gibt überzeugende Pläne. Hat dein Vermieter sich in der letzten Zeit bei dir gemeldet? Wegen fälliger Repaturen oder so?“
Fast bleibt mir die Spucke im Hals stecken. „Der weiß nicht einmal, wie man das Wort schreibt.“
Ich schließe auf und bitte Eric, mir zu folgen. Vor Madame Vivouches Tür bleibe ich stehen und klingele.
Madames tapsende Schritte nähern sich der Tür, die sich quietschend öffnet.
„Nicolette“, beginnt Madame. Als sie Eric sieht, werden ihre hellblauen Kulleraugen noch größer. „Der Mann von der Brücke …“
„ Bonjour, Madame“, Eric reicht der kleinen Madame Vivouche, die ihm nicht mal bis zur Brust geht, eine Hand. Sein Lächeln steckt sie an.
„ Bonjour“, erwidert sie und ihre sonst so blassen Wangen färben sich binnen Bruchteilen von Sekunden altrosa. „Dass jemand, der eine Frau mietet, mit ihr nach Hause kommt …“ Sie schlägt eine Hand vor ihren Mund. „Das klingt wie …“
„Die Zeitung en schreiben nicht immer die Wahrheit“, entgegnet Eric. „Ich habe Nicki nicht gemietet“, lügt er mit einer Überzeugung, dir mir Angst macht, „wir haben uns ganz normal in einem Café kennengelernt. Ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt.“
Äh ? Was erzählt Eric da? Meint er das ernst? Ich gebe mir alle Mühe, mir die Überraschung über Erics Story nicht anmerken zu lassen. Glücklicherweise starrt meine Nachbarin die ganze Zeit nur auf Eric.
„Und dann schleifen sie meine Nicki in solch ein – einen Schuppen?“, entrüstet sich Madame. „Schande über Sie! Und du, Nicki, warum erzählst du uns denn, du wärst bei einer Freundin? Und dann dachte ich, du und Gabriel …“
Okay, jetzt bin ich doch noch rief.
„Ach, Madamchen“, ich streichele ihr über die Haarfusseln, „Gabriel und ich sind nur gute Nachbarn. Und die Sache mit Eric ist doch noch ganz frisch. Die wollte ich nicht an die große Glocke hängen.“ Das mit den Lügen reißt langsam ein. Bevor ich Eric kannte, habe ich
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