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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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Flehen lauschen.
    »Du bist nicht Lazarus. Du bist Daigh.« Eine letzte Bitte, die in einem Schluchzen endete, das ihm das Herz zerrissen hätte, wenn er noch eins besessen hätte. Doch das Herz war ihm wie seine Erinnerungen genommen worden, und an seiner Stelle war nichts als die vergiftende Präsenz zurückgeblieben.
    »Töte sie!«, befahl Máelodor. »Beweis mir deine Treue!«
    Hass. Schrecken. Bosheit. Gewalttätigkeit. Mord. Die Emotionen, die ihn überrollten, nahmen physische und grauenhafte Formen an. Ein scharlachroter und goldener Fluss aus Feuer und Rauch drohte ihn mitzureißen. Der offene Schlund der Schlange, der sich erweiterte, als Daigh schwankend am Rande des Abgrunds stand und nach einem Halt suchte, um nicht von der gähnenden Leere verschluckt zu werden. Nach irgendetwas, um seinen endgültigen Sturz in die Hölle aufzuhalten.
    »Tu, was ich dir sage!«, schrie Máelodor ihn an.
    Daigh zog die Sense aus dem Gürtel und trat vor, weil nicht mehr er die Kontrolle über seinen Körper hatte.
    »Nein!« Brendan warf sich zwischen sie, und magische Energie brachte die Luft zum Knistern, als der Zauber mit der Schnelligkeit und Stärke eines letzten Widerstandes von Douglas’ Lippen kam.
    Ein greller Schmerz explodierte in Daighs Kopf, als wäre er gespalten worden. Er schwankte und fiel auf die Knie, und die Waffe entglitt seiner Hand, die plötzlich taub geworden war.
    »Sabrina! Jetzt!«, schrie Douglas. »Halt ihn auf! Mit den Erinnerungen! Such sie und …«
    Douglas’ Anweisungen endeten in einem schmerzerfüllten Aufstöhnen, als St. John ihn mit einem Rückhandschlag zu Boden schickte und, die pure Mordgier in den Augen, über ihm stehen blieb.
    Daigh blickte zu Sabrina hinüber. Das Blau ihrer Augen überschwemmte ihn wie eine Sturzwelle. Ihr Haar umwallte ihre Schultern, als triebe es auf einer Meeresströmung.
    Und da gab er seinen letzten Halt auf, versank in Sabrinas Augen und ließ sich von ihr davontragen.
    Sie wusste nicht, was sie tat. Oder wie sie es tat.
    Fest stand nur, dass sie sich einen Weg durch die zersplitterten, bruchstückhaften Schichten von Daighs Erinnerung bahnte, die hauchdünnen Fäden seiner Vergangenheit nahm, sich mit ihnen verwob und ein Stück von jenem verlorenen Leben wurde. Sie betrat es wie durch eine Tür.
    Falls Brendan recht hatte und der kleinste Fetzen Erinnerung genügte, um den Griff des Magiers um Daighs Seele zu lockern, was würde dann erst eine Sintflut von Erinnerungen bewirken? Und würde sie, Sabrina, stark genug sein, um sich lange genug in dieser Zeit und an diesem Ort zu halten, um die Sintflut zu erzeugen?
    Es gab keine andere Möglichkeit, als es zu versuchen. Zu scheitern bedeutete den Tod.
    Die Luft verdichtete sich von Regen und Wolken. Nebel dämpfte ihre Schritte und machte schaurige Gespenster aus dem bewaldeten walisischen Tal. Aber Daigh war so, wie sie ihn erwartet hatte: mit glänzenden graugrünen Augen, die unberührt von Schatten waren, und einem Körper, der keine der harten Kanten und silbrigen Narben seiner gegenwärtigen verpfuschten Existenz aufwies. Er streckte eine Hand nach ihr aus. Groß, warm und schwielig umschloss sie Sabrinas Finger und zog sie an ihn heran.
    »Ich kenne dich, cariad «, flüsterte er.
    Sabrina lächelte und trat in seine ausgestreckten Arme.

Kapitel Siebenundzwanzig
    D aighs Geist zersprang wie ein Spiegel unter einer harten Faust in eine Million Scherben. Er zersprang in eine Million kristallklarer Erinnerungen, die unberührt, ohne Makel und scharf genug waren, um selbst die stärksten Gefängnisketten zu durchtrennen.
    Energie durchflutete Glieder, die plötzlich frei waren von den dunklen Zaubern Máelodors und von der bedrückenden Präsenz, die so lange in Daighs Gehirn gelauert hatte.
    Daigh richtete sich auf die Knie auf und schüttelte den Kopf, um Klarheit zu erlangen. Aber die Erinnerungen blieben an ihm hängen wie Kletten an Stoff, brachten die Luft zum Pulsieren und erfüllten ihn mit Momenten und Eindrücken, die so klar waren wie die Szene vor ihm. Er wusste, wer er war und was er war. Das als Lazarus bekannte Wesen hatte er abgestreift wie einen ausrangierten Umhang.
    »St. John! Töten Sie sie!«, kreischte Máelodor, dem Speichel aus den Mundwinkeln rann, mit wildem, unkoordiniertem Blick.
    Douglas lag blutend und benommen auf dem Boden, die Spitze von Máelodors Spazierstock auf der Luftröhre und den Meistermagier wie einen Geier über sich gebückt.
    St. John kam drohend

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