Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
erwachte von einer leichten Brise, die durch sein Zimmer strich, einer Veränderung des Luftdrucks und einem Geräusch, das eigentlich nicht da sein dürfte. Leise erhob er sich, zog ein Hemd und Stiefel an und löste vorsichtig den Riegel an der Tür, um sie einen Spaltbreit zu öffnen.
Doch der Gang war leer bis auf die sich überlagernden Schatten. Und außer einem stetigen Wassertröpfeln war auch nichts zu hören.
Was er vernommen hatte, war nicht Sabrina.
Sie war schon vor Stunden vor ihm geflohen. Die Qual in ihren Augen hatte ihn bis in sein vereistes Herz getroffen. Er hatte sie trotz seiner Fragen und seines Verlangens gehen lassen, aber er hatte nicht die Absicht, beides lange zu ignorieren. Nicht, wenn Sabrina imstande war, die rätselhafte Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu überqueren und sein Schlüssel war, um beides zu verstehen.
Der gleiche Instinkt, der ihn geweckt und aus dem Bett getrieben hatte, veranlasste ihn, auf leisen Sohlen den Gang hinab zum Schlafsaal der Krankenstation zu gehen. Schwester Clea schlief noch, und auch sonst war alles unverändert in dem stillen Zimmer.
Draußen schlug ihm der Regen ins Gesicht wie Nadelstiche. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er in die Dunkelheit und ließ den Blick über den Innenhof des Klosters gleiten. Über das verschlossene Tor, die gut verriegelten Scheunen und Lagerhäuser und die dunklen Fenster der gegenüberliegenden Gebäude.
Irgendwo klapperte eine Tür im Wind. Eine Regenrinne schepperte. Tiere bewegten sich auf ihrem Strohlager. All das waren normale nächtliche Geräusche. Nichts, was sein soldatisches Misstrauen hätte wecken sollen.
Wahrscheinlich hatte er nur eine Schwester gehört, die nicht schlafen konnte. Oder eine Dienstbotin, die aufgestanden war, um ein Feuer anzuzünden. Bestimmt war es nicht mehr als das gewesen.
Trotzdem hielt er Wache und wartete auf den kleinsten Fehler, der einen möglichen Eindringling verraten würde.
Da! Das Scharren eines Riegels. Ein verstohlener Schritt. Ein aufblinkendes Licht, das in einem Eingang schnell wieder erlosch. Es war also keine Einbildung gewesen. Der Eindringling befand sich auf der anderen Seite des Hofes im Hauptgebäude.
Das irritierende Gefühl einer unsichtbaren Kraft, die an seinen Geist rührte, war lästig, aber er duldete ihre suchende, ungute Präsenz und ließ sie hinter die Barrieren seines Geistes gleiten. Weil es einfacher und weniger schmerzhaft war, als dagegen anzukämpfen – und es ihm ermöglichte, sich an die Illusion zu klammern, dass er sich trotz allem noch unter Kontrolle hatte.
In geduckter Haltung trat er aus dem Schutz des Kreuzgangs und schlich lautlos über den dunklen Innenhof auf das imposante Hauptgebäude mit den schmalen, bogenförmigen Fenstern zu.
Den flachen Stufen, die zu der zweiflügeligen Eingangstür hinaufführten, schenkte er jedoch keine Beachtung, weil die Geräusche, die er gehört hatte, nicht von dort, sondern von der Seite des Gebäudes gekommen waren. Von einem unauffälligeren Nebeneingang.
Als er durch diesen das Haus betrat, spürte er den Luftzug von einem der oberen Gänge und hörte ein gedämpftes Atmen. Wer auch immer hier eingedrungen war, war listig. Aber auch das würde ihm nichts nützen, denn Daigh war besser: still und unabwendbar wie der Tod.
Am oberen Treppenabsatz folgte er dem schwachen Licht einer abgeschirmten Kerze einen breiten Gang hinunter.
In dieser Richtung lag Ard-siúrs Arbeitszimmer.
Wut pulsierte an seinen Nervenenden entlang und brodelte schwarz und bösartig in seinem Blut. Sie vergrub sich so tief in ihm, dass er nicht mehr sicher sein konnte, wo er endete und die fremde Präsenz in ihm begann. Die Kraft des einen erhöhte die des anderen, bis sie sich zu einer einzigen verbanden.
Nach den letzten Schritten zur Tür des Arbeitszimmers der Priorin schlüpfte er, auf alle möglichen Gefahren gefasst, völlig lautlos in den Vorraum. Bücherregale. Eine verglaste Aufsatzkommode und ein Schreibtisch mit einer offen stehenden Schublade. Ein Stapel Bücher. Zwei Stühle, die wie Wächter an der hinteren Wand des Zimmers standen. Eine Verbindungstür, die einen Spalt geöffnet war. Ein schmaler Streifen Licht fiel hindurch, der wie ein Dolch auf Daighs Füße zeigte.
Nachdem er diese Tür vorsichtig ein wenig weiter aufgedrückt hatte, trat er in den schmalen Durchgang … und konnte gerade noch einem schweren Gefäß ausweichen, das auf seinen Kopf zuschoss. Aber es traf ihn
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