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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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Füßen, dem aus der Hose heraushängenden Hemd und den dunklen Bartstoppeln um das Kinn war er ein irritierender Anblick, aber zumindest nicht der von Algen bedeckte Leichnam, den sie schon beinahe erwartet hatte.
    »Paul?« Schwester Cleas dünne Stimme wurde schrill vor Aufregung, und ihr Gezappel ließ augenblicklich nach, als sie mit ihren wässrigen Augen Daighs im Schatten liegendes Gesicht anstarrte. »Bist du das?« Sie hob eine zitternde Hand, und ihre Lippen verzogen sich zu einem zahnlosen Lächeln. »Ja, du bist es. Ich wusste, dass du kommen würdest.« Mit einem zufriedenen Seufzen schmiegte sie sich in seinen Arm und ließ sich von ihm zu ihrem Bett zurückführen. »Ich habe lange auf dich gewartet, Paul. Es war nicht nett von dir, so lange wegzubleiben.«
    »Ich habe versucht, zu dir heimzukehren, meine Kleine, aber …« Sein Blick glitt über die gebeugten Schultern der alten Frau zu Sabrina. »Am Ende war es unmöglich.«
    Ein Kribbeln vibrierte über ihren Rücken wie die perfekt getroffene Note einer Stimmgabel. Die Luft veränderte sich und schimmerte plötzlich von unzähligen herumzischenden Lichtern.
    »Aber jetzt bin ich ja zurückgekommen …« Daighs Stimme war tief und hohl, als spräche er durch Wasser. »Für dich.«
    »Wirst du diesmal bleiben?«, fragte Schwester Clea mit ansteckender mädchenhafter Freude. »Für immer?«
    Er antwortete mit einem ernsten, ruhigen Nicken, doch ob es Clea oder Sabrina galt, war nicht zu sagen.
    Trotz des novemberlichen Regens draußen wurde die Luft auf einmal heiß und drückend schwül. Sabrina versuchte, Atem zu holen, aber ihre Lunge fühlte sich ganz seltsam breiig an. Ein Schwindel erfasste sie, der so heftig war, dass der Raum sich um sie drehte und ihr das Abendessen in die Kehle stieg. Das Lampenlicht zitterte und zuckte. Bevor sie etwas sagen konnte, verschwand das Zimmer, und sie stand wieder in Daighs Armen und lauschte seinem gleichmäßigen Herzschlag. Heiße Tränen brannten auf ihren Wangen.
    Dann löste er sich von ihr und trat zurück. Er schenkte ihr ein verlegenes Lächeln, senkte den Kopf und gab ihr einen letzten Kuss. »Ich komme zurück, cariad . Ich verspreche es. Du sorgst dich ganz umsonst.«
    Ihre Haut prickelte über Muskeln, die plötzlich aus Wasser zu bestehen schienen. Eine vertraute Stimme rief ihr etwas zu – und die Welt reduzierte sich auf zwei faszinierende grüne Augen.
    »Besser?«
    Sabrina, die flach auf dem Rücken lag, schaute blinzelnd zu Daighs besorgter Miene auf und lächelte unsicher.
    »Ich werte das als ein Ja.«
    Sie versuchte, sich aufzusetzen, aber es war viel anstrengender, als sie erwartet hatte. Sie nahm ihren Kopf, der sich seltsam wacklig anfühlte, zwischen die Hände. »Wie lange?«
    »Ein, zwei Minuten. Dein Gesicht wurde völlig ausdruckslos, bevor du zusammenbrachst.«
    Sie nahm den Becher, den er ihr hinhielt, schwang die Beine über den Rand des Bettes und setzte sich. Dankbar ließ sie das Wasser in ihrem Mund kreisen, weil ihre Zunge sich so pelzig anfühlte, als hätte sie ein Knäuel Garn verschluckt. Ihr Kopf pochte, vor ihren Augen tanzten Farben und Lichter, und sie verspürte einen Schmerz in ihrem Herzen, als wäre ihr ein Messer hineingestoßen worden.
    »Schwester Clea?« Suchend blickte sie sich um, blinzelte die blendenden Lichtpunkte vor ihren Augen fort und merkte, dass das Zimmer sich noch immer drehte.
    »Sie schläft. Ich habe sie mit einem Glas Wasser und einem Kuss auf die Stirn zu Bett gebracht, wie es sich gehört für einen guten Bruder.« Er nahm Sabrina den Becher ab, füllte ihn auf und stellte ihn auf einen nahen Tisch. Solch alltägliche Verrichtungen schienen so gar nicht zu einem Mann zu passen, der wie der personifizierte Tod eine ganze Bande Banditen niedergemäht hatte.
    »Es war lieb von dir, den Bruder für sie zu spielen.«
    »Ich habe es nicht für sie getan.«
    »Oh!«, murmelte sie nur, und ein Zittern stieg in ihrer Magengrube auf, das nicht von der Übelkeit herrührte.
    Sie massierte sich die Schläfen, schloss die Augen und schaffte es, sich einigermaßen zusammenzunehmen. Als sie die Lider wieder hob, war zumindest ihre Sicht schon etwas klarer. Der Rest von ihr blieb irritierend instabil, als hätte sich das aufgeregte Flattern in ihrem Bauch auf alle anderen Teile ihres Körpers ausgedehnt.
    Was hatte sie in jenen letzten Sekunden vor ihrer Ohnmacht gesehen? Ein weiteres unerklärliches Bild? War es ein Stück von Daighs Leben gewesen, das

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