Verführung der Nacht: Ein Vampirthriller (German Edition)
seines T-Shirts, der allein noch zwischen mir und dem Quell des Lebens steht.
Er strauchelt rückwärts und stürzt. Ich lande auf ihm. Zähne schnappen in die Luft und kommen seinem Hals immer näher.
»Bitte. Ich sage es dir. Ich weiß, wo er ist.«
Anna, hör auf.
Meine kleine Stimme ist wieder da.
Ich schüttele den Kopf. Nein.
Lawson kreischt jetzt vor Angst und versucht, sich unter mir herauszuwinden. Ich halte seine Schultern gepackt.
Du musst aufhören. Er weiß etwas.
Ich kann nicht.
Doch. Du kannst. Denk daran, es geht um Davids Leben.
Ein Stöhnen entringt sich meiner Kehle. Es ist zu schwer.
So ist es eben.
Ich stoße mich von Lawson weg und rolle mich auf den Rücken. Jede Zelle in meinem Körper revoltiert. Der Kampf, wieder zu mir zu kommen, kostet meine ganze Kraft. Ich spüre, wie Lawson neben mir nach Luft ringt. Wenn ich noch atmen würde, ginge es mir ebenso. Aber ich kann nichts tun als ganz still liegen bleiben und warten, bis ich sicher bin, dass ich mich im Griff habe. Bis ich sicher bin, dass die menschliche Anna wieder da ist.
Das dauert eine Weile. Trotzdem erhole ich mich noch vor Lawson. Als ich mich zum Sitzen aufrichte und zu ihm hinüberschaue, übergibt er sich fast lautlos ins Wasser. Er hat einen langen, blutigen Kratzer an der Wange.
Ich trete zurück. Der Duft und der Anblick von Blut sind selbst jetzt noch zu verführerisch. Ich warte und beobachte, wie er sich zusammenreißt, sich Tränen und Rotz vom Gesicht wischt und sich dann aufrappelt. Seine Beine zittern und drohen unter ihm nachzugeben. Ich wage es nicht, ihm zu helfen. Es ist noch zu früh. Denn ich sehe nichts weiter als das schmale Rinnsal Blut in seinem Gesicht.
Schließlich atmet er wieder normal, und seine Wangen bekommen Farbe. Er stützt sich an die Felswand. Als er meinem Blick begegnet, ist jeder Widerstand in seinen Augen erloschen.
»Wo ist er?«, frage ich ruhig.
Er versucht sogar zu lächeln, obwohl eher eine Grimasse dabei herauskommt. »Du musst irgendwen mächtig verärgert haben«, sagt er. »Wir sollen Meldung machen, wenn wir dich irgendwo entdecken, aber mehr nicht. Genau das hatte ich vor, als du mich geschnappt hast. Ich schwöre, bis heute hatte ich keine Ahnung, dass diese Entführung mit dir zusammenhängt.«
»Wo ist er?«
Lawson holt tief Luft. »Er wird bei irgendeinem Arzt festgehalten«, sagt er. »Ich weiß nicht genau, wo. Aber ein Vampir, der sehr einflussreich sein muss, hat uns gewarnt, uns da herauszuhalten.«
»Ein Vampir hat euch gewarnt, euch herauszuhalten? Ich dachte, ihr Rächer habt es euch zur Aufgabe gemacht, Vampire zu jagen?«
Er zuckt mit den Schultern. »Wir haben Informanten in der Vampirgemeinde, die uns helfen, wenn es ihren eigenen Interessen dient.«
Ihren eigenen Interessen? Ich schnaube. »Du meinst, sie helfen euch, und dafür werden sie verschont?«
Wieder zuckt er mit den Schultern.
»Kommen wir zu diesem Arzt zurück. Warum sollte ein Arzt David entführen?«
Lawson sagt: »Es hieß, irgendein Neuling hätte eine alte Seele verärgert und sollte dafür bestraft werden. Ich habe angenommen, es ging um einen Freund oder Ehemann – eine Art abartige Dreiecksgeschichte.«
»Warum hast du dann gesagt, du solltest es jemandem melden, wenn du mich siehst?«
Er schüttelt den Kopf. »Weil man uns das befohlen hat. Ich nehme an, weil du uns entkommen bist. Vier arme Leute haben dafür mächtig was auf die Nuss bekommen, und ich war einer von ihnen. Ich glaube, unsere Vorgesetzten wollten nicht, dass so etwas noch mal passiert.«
»Und wer sind diese ›Vorgesetzten‹?«
Lawson überlegt offensichtlich, was ihm mehr Angst macht – ein stinkwütender Vampir oder ein stinkwütender Mensch. Ich kann zusehen, wie seine Gedanken sich auf seinem Gesicht spiegeln. Er trifft die richtige Entscheidung.
»Unser Kommando wird von einem Sergeant geleitet. Ich weiß nicht, wem er untersteht. Wir melden ihm jeden Vampir, den wir entdecken, und er mobilisiert das Einsatzteam.«
»Wie neulich Nacht?«
Er nickt. »Da hatte ich einfach Glück.« Er überlegt und beäugt mich missmutig. »Oder auch nicht.«
»Zurück zu diesem Arzt. Du musst doch noch mehr gehört haben. Wo wohnt er?«
»Im North County, glaube ich. Oder vielleicht in La Jolla. Wo wohnen Ärzte denn sonst so?«
Großes Spielfeld und eine Menge Ärzte. North County ist ein riesiges Gebiet.
Ich wende mich von Lawson ab und ziehe mich in den Schatten zurück, um nachzudenken. Donaldson
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