Verführung der Nacht (German Edition)

wahllos morden würden um ihre Gier nach Blut zu stillen.

    Ja, aber, als ich meine Verwandlung hatte, war ich nicht so , sage ich.

    Weil du von mir getrunken hast, Mary , erwidert er. Du hast meine Stärke und meine Selbstbeherrschung in dir aufgenommen. Auch unsere Blutsverbindung hilft dir, dein Verlangen zu beherrschen.

    Ich muss innerlich lachen. Er hat schon recht, mein Verlangen nach Blut kann ich unter Kontrolle halten. Doch was ist mit meinem Verlangen nach ihm? Denn ich sehne mich nach seiner Liebe, seinen Lippen, seinem Blut…
    Ich will letzteres nicht, weil es einfach meine Natur ist, sondern weil es von ihm ist, weil es Kyles Blut ist. Weil es mich in den Wahnsinn treibt, wenn ich es auf meiner Zunge spüre, wenn es warm meinen Hals hinab läuft. Es lässt mich alles vergessen und einfach nur genießen. Ich tanze dabei auf der dünnen Grenze der Selbstbeherrschung und muss mich konzentrieren nicht auf die falsche Seite zu fallen.

    Doch ich habe bis jetzt nur von ihm getrunken, woher soll ich wissen, ob andere vielleicht nicht sogar besser schmecken? Ich bin nicht mit Kyle zusammen, es wäre also kein Vertrauensbruch wenn ich aus anderen Männern trinken und anschließend mit ihnen schlafen würde. Denn dass der Biss eines Vampirs von unglaublicher Lust ist, lässt sich leider nicht vermeiden.

    Mein Retter unterbricht meinen Gedankengang, als er mich plötzlich küsst. Er beugt sich so schnell nach vorne und legt seine Lippen auf meine, dass ich in den ersten Momenten viel zu überrascht bin um den Kuss zu erwidern.
    Seine geschickte Zunge windet sich um meine und spielt mit ihr, quält mich indem er immer wieder unsere Lippen von einander trennt. Während ich meine Arme um ihn schlinge um meinen Körper instinktiv an seinen presse, weiß ich, dass ich keinen anderen Mann will, dass ich von keinem anderen das Blut trinken will als von ihm.

    Das Verlangen nach Blut kann ich unter Kontrolle halten, aber nicht das Verlangen nach Kyle, meinem Retter.

    11

    Es ist elf Uhr morgens am Donnerstag, als Dorian uns am Pariser Flughafen absetzt und zwölf Uhr, als wir im Flugzeug sitzen. Ich habe einen Platz zwischen Kyle und Leon und befinde mich somit in der Schusslinie der beiden Streithähne. Obwohl ich zugeben muss, dass sie die letzten paar Stunden ziemlich friedlich miteinander umgegangen sind; sie haben sich nämlich vollkommen ignoriert.
    Der Flug dauert nur 90 Minuten, doch nach der Hälfte der Zeit habe ich alle fünf Zeitschriften ausgelesen und beginne mich zu langweilen.

    Warum darf ich nicht am Fenster sitzen? , frage ich. Dann könnte ich raus gucken.

    Weil es sicherer ist, wenn du zwischen uns beiden bist , antwortet Kyle, der auf besagtem Platz sitzt und nun ein Hemd von Dorian trägt.

    Er blättert in der Times während sein Bruder einfach nur still neben mir sitzt. Ich glaube er schläft, aber ich kann seine Augen durch die schwarze Sonnenbrille nicht erkennen.

    Hier kann uns doch nichts passieren , sage ich mehr zu mir selbst, als um Kyle eine Erwiderung zu geben. Denn im Flugzeug sind noch einige andere Vampire. Ich spüre ihre Anwesenheit und ich spüre ihre Blicke in meinem Nacken. Es ist dieselbe Gewissheit, wie ich sie bei Lilly hatte. Ich will mich umdrehen und die Gesichter sehen, die mich beobachten, doch ich traue mich nicht. Ich traue mich nicht, denn allein nur ihre Blicke zu spüren, jagt mir kalte Schauer über den Rücken.

    Wie lange noch? , frage ich.

    Nur noch eine halbe Stunde, Mary , antwortet mein Retter und streichelt mein Bein, ohne von seiner Zeitung aufzublicken. Er spürt meine innere Unruhe, riecht die leichte Spur von Angst an mir. Leon seufzt nur genervt und bestellt sich einen Maotai bei der vorbeilaufenden Stewardess.
    Ich beschließe, seine Reaktion zu ignorieren und lege meine Hand auf die von Kyle. Es fühlt sich gut, aber nicht richtig an. Sind wir jetzt zusammen? Und wenn ja, warum sagt er es dann nicht? Warum sagt er nicht, dass er mich liebt? Nun ja, wenn er es überhaupt tut…

    Der blonde Vampir neben mir wird langsam unruhig und trinkt sein Glas in einem Zug aus, als die junge Frau mit seiner Bestellung kommt. Sie hat nur ein paar Momente Zeit um überrascht zu gucken, ehe Leon einen zweiten Drink bestellt. Ich wundere mich, warum er den plötzlichen Drang zum Alkohol hat, da wir Vampire nur in Verbindung mit Blut betrunken werden können, doch ich sage nichts zu seinem Verhalten. Ich beobachte nur stumm, wie er ein Glas nach dem anderen leert