Verführung der Nacht (German Edition)
erzählen. Oh Gott, jemand muss mir helfen!
Und dann legt Leon eine Hand auf meine Stirn und ich schließe die Augen. Was tut er da bloß? Ich wehre mich dagegen, ich will sie nicht schließen, doch ich habe meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle.
„ Du wirst keine Hilfe bekommen. Schlaf jetzt…“, haucht er und ich tue es.
Als ich aufwache, liege ich auf meinem Bett. Die Abendsonne scheint durch das geöffnete Fenster in mein Zimmer und die lederne Tasche auf dem Boden ist noch halbvoll. Mein Kopf fühlt sich betäubt an. Wie bin ich auf das Bett gekommen?
Ich erinnere mich an Leon, wie er auf mir saß und mich würgte. Er hat gesagt, dass er mich aus Amalias Palast gerettet hat, weil ich Kyle etwas bedeute. Aber warum hat er mich dann gewürgt? Und wie konnte ich einfach einschlafen? Mein Gedanken sind wie ein Puzzle, wo ein Teil fehlt, doch ich finde das fehlende Stück einfach nicht. Leon war wütend auf mich, weil ich diese Mauer immer wieder vergesse. Ich denke, er hat mich deswegen vor lauter Wut gewürgt… aber dann?
„ Es tut mir Leid, dass ich mich nicht beherrschen konnte“, höre ich ihn aus der Ecke des Zimmers sagen. Er steht neben der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtet mich.
„ Wie bin ich eingeschlafen? Und wieso?“, frage ich und denke angestrengt nach. Doch da ist nichts, die Lücke will sich nicht füllen.
„ Ich habe dir einen Schlag gegen den Kopf verpasst“, antwortet Leon. „Erst als du schon ohnmächtig wurdest, habe ich meinen Fehler eingesehen. Es tut mir Leid, dass ich überreagiert habe…“
Was er sagt, ergibt keinen Sinn. Ich hätte mich an den Schlag auf den Kopf erinnert und mein Schädel würde mir immer noch weh tun. Auch ergibt es keinen Sinn, dass er mich würgt und mir mit hasserfüllter Stimme erzählt, dass Kyle mich will, mich begehrt.
Mich sogar liebt? Dass er mich deswegen aus Amalias unterirdischem Schloss gerettet hat. Er nährt dadurch meine Hoffnung, irgendwann mit meinem Retter richtig zusammen zu sein. Damit fügt er mir kein Leid zu. Ich sehe ihn an und merke, dass er meine Gedanken, meine Zweifel, gehört hat.
Er hat Recht, ich muss öfters, wahrscheinlich immer, diese Gedankenmauer aufbauen. Es ist nicht schwer, seinen Geist vor anderen zu verbergen, man muss bloß aufpassen.
Es ist wie bei einem Einbruch: man muss auf alles in seiner Umgebung achten, jede noch so kleine Veränderung bemerken, jedes leise Geräusch hören, und gleichzeitig auf die Dinge achten, die von Wert sind und sie mitnehmen.
Während man redet und handelt muss man diese Mauer immer in Gedanken haben, immer unbewusst an sie denken.
Als ich meine Mauer aufbaue, merke ich wie etwas über Leons Gesichtszüge gleitet und wieder verschwindet. Ich glaube, dass es Unsicherheit war, ja vielleicht sogar Panik, doch ich bin mir nicht sicher. Auch rieche ich keines dieser beiden Gefühle.
„ Kyle ist unten im Keller trainieren, wenn du ihn suchst“, sagt er und öffnet die Tür. „Ich werde in der Stadt sein, um einige Angelegenheiten zu regeln.“
Und mit diesem Satz geht er raus und lässt mich zurück mit meiner Verwirrung. Er ist wütend geworden, weil ich meine Gedanken nie verstecke. Deswegen hat er sich im Flugzeug betrunken. Dass heißt, dass Kyle meine Gedanken auch gehört hat. Dass könnte auch heißen, dass er sie immer mitkriegt…!
Oh je, dann hat er jedes Mal meine tausend Fragen gehört, ob er mich nun liebt oder nicht. Aber warum hat er dann nie etwas gesagt? Warum hat er mir keine Antwort auf meine stillen Fragen gegeben? Oder warum hat er nicht ein einziges Mal darauf hingedeutet, dass alle in meiner Umgebung meine Gedanken lesen können? Warum haben die anderen nicht darauf hingewiesen?
Wenn ich die Antwort wissen will, muss ich wohl in den Keller gehen und Kyle fragen.
Also ziehe ich mir zuerst etwas anderes an, etwas Bequemeres, und lege ein wenig Make-up auf. Um dann festzustellen, dass es nicht zu mir passt.
Die Schminke, die ich jeden Tag benutzt habe, lässt mein Gesicht plötzlich lächerlich aussehen. Es passt einfach nicht mehr zu der nun makellos reinen Haut und den leuchtenden Augen. Es sieht aus wie bei einer Nutte, es ist einfach zu viel.
Also wasche ich mein Gesicht wieder ab und merke, dass ich mir so viel besser gefalle.
Es dauert eine Weile bis ich den Keller gefunden habe, doch als ich schließlich da bin, befinde ich mich plötzlich in einem Fitnessstudio. Moderne Trainingsgeräte soweit das
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