Verführung der Unschuld 2
Allein, ohne Hebamme?
Sie musste hier raus, egal wie. Irgendwann musste er ihr etwas zu essen bringen, und waschen musste sie sich auch und umziehen, und der Eimer für die Notdurft entfaltete allmählich einen unangenehmen Geruch, und überhaupt … Der nächste Schwall Tränen hinderte Giulia daran weiter zu denken. Sie brauchte sich nichts vorzumachen. Es war unmöglich, an Federico vorbei zu kommen und die Zelle zu verlassen. Und wer sollte ihr schon helfen?
Mit einem Male begann das Kerzenlicht zu flackern und schließlich erlosch es ganz. Giulia starrte in absolute Dunkelheit. Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Körper und schloss die Augen.
Stell dir einfach vor, es ist Licht da, wenn du die Augen aufmachen würdest. Aber du machst sie nicht auf, denn du weißt ja, dass es da ist und du brauchst es nicht, weil du schlafen möchtest
…
Ein Geräusch weckte Giulia aus ihrem Dämmerschlaf. Das Licht sprang flackernd an und sie blinzelte zwischen den Fingern hindurch, die Hand schützend vor die Augen haltend.
Zuerst dachte sie, es wäre Federico, dann aber erkannte sie in der näher kommenden Gestalt den Butler. Wie hieß er doch gleich wieder? Giuseppe oder Giovanni oder Giorgio? Sie hatten so wenig miteinander zu tun gehabt, als sie noch Dienstmädchen gewesen war.
Mit ruhigen Bewegungen platzierte er einen Hocker vor dem Gitter, dann ging er wieder hinaus und kehrte kurz darauf mit einem Tablett zurück, das er darauf abstellte. Erst jetzt sperrte er die Zellentür auf und trug den Hocker mitsamt dem Tablett hinein, um es vor ihrer Pritsche abzustellen. Obwohl die beiden Teller, ein großer und ein kleiner, mit Abdeckhauben verschlossen waren, ging ein Duft nach Gemüse von ihnen aus und weckte sofort ihren Appetit.
Wie kann ich in so einem Augenblick an Essen denken?
Es war wohl ihr Kind, das den Hunger schürte. Ein Grundbedürfnis, so elementar, dass sie es kaum ignorieren durfte.
Du trägst Verantwortung!
»Bitte, Signor Giorgio, bitte lassen Sie mich gehen«, flehte Giulia. »Sein doch wenigstens Sie nicht so hartherzig.«
»Giovanni«, murmelte er ohne sie anzuschauen. »Ich heiße Giovanni. Signora Giulia, es tut mir leid, ich würde ihnen wirklich gerne helfen, sehr gerne, aber ich kann nichts für Sie tun. Ich bin selbst ein Gefangener dieses Hauses, auch wenn es vielleicht nicht so aussieht.« Er wandte sich zum Gehen.
Giulia schluckte. »Dann … können Sie mir dann wenigstens sagen, wie es Mariella geht? Mein Schwager war sehr wütend und … grob zu ihr, als …«
Giovanni drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht drückte Sorge aus, dennoch versuchte er sie zu beruhigen. »Es ist alles okay. Signora Mariella geht es den Umständen entsprechend gut. Signor Moreno hat ihr zwar ziemlich Angst eingejagt, aber ihr ist nichts geschehen.«
»Und jetzt? Wie soll es weitergehen? Ich kann doch nicht die Wochen bis zur Geburt hier im Dunkeln sitzen und mein Kind dann ganz alleine, ohne fremde Hilfe zur Welt bringen!«
Der Butler schwieg und wich ihrem Blick aus. Mit bedrückter Miene schloss er die Tür von außen ab.
»Das ist unterlassene Hilfeleistung, das ist Ihnen schon klar, oder?«, rief Giulia ihm voller Verzweiflung und Wut hinterher.
Er drehte sich nicht mehr um.
Versteckspiel
Tage waren vergangen, in denen Mariella außer Antonella und Giovanni niemanden zu Gesicht bekommen hatte. Sie brachten ihr das Essen, aktuelle Nachrichten von Giulia, informierten sie darüber, dass ihr Schwager schon dreimal angerufen hatte, weil er sie sprechen wollte, und versorgten sie mit Zeitschriften, damit sie eine Beschäftigung hatte.
Mit beiden hatte Mariella die Möglichkeiten einer Befreiung Giulia’s diskutiert, aber noch zögerten sie. Im Augenblick war jeder Schritt zu riskant. Vor allem Giovanni blockte. Die Angst vor Federico und seinen geheimnisvollen belastenden Unterlagen saß zu tief. Mariella versicherte beiden zwar, sich für sie einzusetzen, aber klar, wenn es Beweise für einen oder mehrere Morde gab, selbst wenn sie diese nicht selbst ausgeführt hatten, dann würden Antonella und Giovanni für den Rest ihres Lebens ins Gefängnis wandern.
Außerdem war es wie verhext. Wann immer sie darüber sprachen und überlegten, Lorenzo zu informieren, tauchte plötzlich Federico wie auf dem Nichts auf. Die anderen mochten es als Paranoia abtun, aber Mariella fühlte sich nicht mehr sicher. Ihr kam es vor, als gäbe es überall Kameras oder Mikrofone, und ihr Mann wäre stets über
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