Verführung Der Unschuld
war in Schweiß gebadet. Oftmals lag sie bis in die
Morgenstunden von einer inneren Unruhe heimgesucht wach.
Auf jeden Fall hatte sie sich geirrt, wenn sie glaubte, alles würde wieder die ursprünglichen
Gewohnheiten annehmen. Es vergingen nur zwei Tage, da wurde sie zu einem Gespräch mit
Antonella und der Mamsell gerufen. Antonella zeigte normalerweise kaum Gefühlsregungen,
aber jetzt war nicht zu übersehen, dass sie unzufrieden, möglicherweise sogar gereizt war.
»Giulia, setz dich«, forderte Mamsell Concetta das Mädchen ohne Umschweife auf.
Giulia nahm auf der vorderen Kante des angebotenen Stuhls Platz, strich ihre Schürze glatt
und legte die Hände in den Schoß. Sie blickte fragend von einer zu anderen.
»Du sollst künftig Antonella zur Hand gehen und sie entlasten. Zu deinen Aufgaben gehört
das Vorbereiten und Servieren des Frühstücks, so wie du es die letzten Tage gemacht hast,
und das Putzen der Bäder. Um die Zimmer kümmert sich Antonella weiterhin persönlich. Und
du wirst dabei natürlich grundsätzlich ihren Anweisungen folgen. Außerdem wirst du
Giovanni beim Servieren des Abendessens helfen.«
Giulias Herzschlag ging einen Takt schneller als vorher. Was hatte das zu bedeuten? Sie
traute sich nicht zu fragen, sondern nickte stumm.
***
Antonella ließ das Mädchen bei jeder Gelegenheit spüren, dass sie ein Eindringling in
gefestigte Strukturen und Antonellas Reich war. Sie tat alles, um Giulia einzuschüchtern und
ihr ein ungutes Gefühl zu vermitteln. Morgens inspizierte sie den gedeckten Tisch, rückte hier
und dort am Geschirr, monierte die schlecht gefalteten Servietten und die eigenmächtig
mitgebrachte Vase mit einem kleinen Blumenarrangement aus dem Garten. Wobei ihr die
Idee durchaus gefiel – aber sie stammte halt nicht von ihr.
Selbst wenn Giulia sich absolut sicher war, alles richtig gemacht zu haben, suchte Antonella
nach einer Verbesserung. Am schlimmsten war ihre Kontrolle, nachdem Giulia die Bäder
geputzt hatte. Es gab immer einen Winkel, in dem sie ein Staubkorn oder einen Fussel fand,
und Giulia lernte, dass auch das Entfernen von Haaren aus den Bürsten oder das Abwischen
des Türrahmens dazu gehörte. Nie war sie perfekt genug.
Antonellas herrische Art schüchterte Giulia ein. Sie gab sich Tag für Tag große Mühe, aber
das schien nicht auszureichen. Nach mehreren schlaflosen Nächten, und nachdem Antonella
wieder mal das angeblich lieblose Drapieren der Servietten beanstandet hatte, nahm Giulia
ihren ganzen Mut zusammen und trat die Flucht nach vorne an: »Bitte Signora Antonella, ich
habe nicht darum gebeten, Teile Ihrer Arbeit zu übernehmen. Ich wollte das nicht, aber ich
strenge mich wirklich an! Wenn Sie nicht zufrieden mit mir sind, dann zeigen Sie mir bitte,
wie Sie es machen würden – zum Beispiel das Falten der Servietten! Wie soll ich sonst
dazulernen und mich verbessern?« Sie senkte den Blick und wartete mit zusammengepressten
Lippen.
Antonellas Antwort fiel unerwartet freundlich aus. Sie betrachtete Giulia seufzend, die
beinahe zitternd in einer verkrampften Haltung vor ihr stand, und offensichtlich ihren ganzen
Mut zusammengenommen hatte.
»Du hast ja recht. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, meine Arbeit mit jemandem
zu teilen. Seit sechs Jahren bin ich in den Diensten der Signori und kümmere mich um diese
Räume. Es war der Wunsch von Signor Federico, dass du mir hilfst, und dem muss ich mich
wohl beugen und ehrlich gestanden, tut mir diese Entlastung schon gut. Also komm her, ich
zeig dir das mit den Servietten.«
Von diesem Tag an kamen die beiden besser miteinander aus. Manchmal machte Antonella
sogar einen Scherz, und vor allem hörte sie auf, ständig Giulias Arbeitsergebnisse zu
kritisieren. Denn eigentlich war sie mit ihrer Leistung zufrieden. Schließlich bot sie ihr sogar
das Du an und schlug eine freundschaftlichere Umgangsart an.
Auch wenn Giulia die hochgeschlossene Dienstmädchenkleidung gehasst hatte, umso
ungewohnter empfand sie in den ersten Tagen die gekürzten Röcke, die nun zwölf Zentimeter
über ihren Knien endeten, und die neuen Blusen, die mit einem tiefen V- oder Rundausschnitt
einen ungehinderten Einblick auf den Ansatz ihrer wohlgeformten Brüste zuließen. Sie
musste auch nicht mehr jeden Tag Schwarz tragen, denn es wurden Röcke und Blusen in
kräftigem Grün und Gelb nachgekauft, die zu ihren braunen Haaren einen schönen Kontrast
bildeten, und sie sah in dieser neu kreierten
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