Verführung Der Unschuld
nicht.
Federico strich ihr sanft mit dem Finger über die Lippen. »Sei nicht traurig! Wir beide
führen eine Art sexuelle Zweckgemeinschaft – so lange, wie es uns beiden Spaß macht. Nicht
mehr und nicht weniger.«
Er schloss wieder die Augen. Eine Weile sprach keiner von ihnen. Giulia kuschelte sich in
seinen Arm und versuchte die Wahrheit seiner Worte zu verdrängen. Sie wollte nichts davon
wissen, nur noch daran denken, wie schön es mit ihm gewesen war. Vielleicht würde sich mit
der Zeit alles zum Guten wenden, vielleicht würde er sie eines Tages lieben – wenn nicht …
nein, sie wollte nicht traurig werden … wenn nicht, dann hatte sie eine wunderbare Zeit
verlebt und alle erotischen Aufregungen kennengelernt, von denen andere vielleicht nur
träumten. Sie seufzte leise und rekelte sich.
Federico machte sich mittlerweile andere Gedanken. Giulias Frage hatte ihn auf eine
nüchterne und rationale Ebene zurückgeworfen. Warum, das hätte er selbst nicht beantworten
können, auf einmal fiel ihm ein, dass er eigentlich nicht viel über sie wusste. »Wie kommt es
eigentlich, dass du bei uns arbeitest und nicht in einem schicken Büro oder interessanteren
Job, in einer aufregenden großen Stadt mit viel Freizeit, Shopping, abends Fortgehen?«
Federico zog seinen Arm vorsichtig unter ihr hervor und stützte sich auf seinem Ellenbogen
auf, um sie besser betrachten zu können.
Giulia sah ihn erstaunt an und zögerte. Dann erwiderte sie freimütig: »Ich habe alles
verbockt. In der Schule war ich faul und hatte ein schlechtes Abschlusszeugnis, und in der
Lehre war ich ungezogen und bin rausgeflogen. Und dann war da noch die Sache … ach, das
ist unwichtig. Meine Eltern waren jedenfalls froh, als Onkel Bruno mich zu sich holte, um für
ihn zu arbeiten. Und ich habe auch bei ihm gewohnt. Aber das war Tante Teresa nicht recht.
Deshalb hat Onkel Bruno sich nach einer anderen Stelle für mich umgesehen.« Nachdenklich
starrte sie an die Decke des Pavillons.
»Onkel Bruno?«, fragte Federico mit hochgezogener Augenbraue.
Giulia sah ihn erschrocken an und schlug sich die Hand vor den Mund.
» Onkel Bruno?«, wiederholte Federico gedehnt.
Giulias Augen weiteten sich vor Entsetzen. Wie konnte sie sich nur verplappern!
»Doch nicht etwa Bruno Brunelli?«
Giulia nickte panisch und mit weit aufgerissenen Augen. Ihre Stimme nahm einen
bettelnden Tonfall an. »Signor Federico, Sie werden doch mit niemandem darüber sprechen,
nicht wahr? Ich hätte das nicht verraten dürfen. Sie behalten das doch für sich? Bitte, bitte!«
Federico streichelte ihr beschwichtigend über die Wange. »Klar, beruhige dich! Aber nur,
wenn du mir sagst, warum das niemand wissen darf! Es ist doch nichts dabei, oder?«
Giulia senkte verschämt den Blick. »Onkel Bruno machte sich Sorgen, dass es auf ihn
zurückfallen und sein Geschäft schädigen könnte, wenn ich …« Sie schluckte nervös. »Wenn
ich vielleicht meine Arbeit nicht ordentlich mache und wieder gehen muss.«
Federicos Miene hellte sich auf. »Na, jetzt wird mir einiges klar! Deswegen hattest du also
fürchterliche Angst, ich könnte dich rauswerfen!«
Einige Sekunden lang sagte keiner von ihnen etwas. Dann hakte Federico nach. »Wie hätte
man dich deiner Meinung nach unterstützen müssen, damit du fleißiger in der Schule gelernt
hättest? Mehr mit dir schimpfen?«
Es war Giulia unangenehm, dieses ernste Gespräch zu führen. Sie waren beide immer noch
splitternackt, in der Luft lag der Geruch körperlicher Liebe, und das Ambiente war mehr als
romantisch.
Es war noch gar nicht so lange her, dass sie eingesehen hatte, selbst an ihren Bildungslücken
schuld zu sein. Erst seit sie den Unterhaltungen bei einigen Familienessen gelauscht hatte,
war ihr klar geworden, dass Bildung in der Familie Moreno eine große Rolle spielte, und sie,
Giulia, unglaublich wenig wusste. Manchen Diskussionen konnte sie kaum folgen, abgesehen
davon, dass es sie nichts anging, worüber geredet wurde.
»Nein, ich glaube, mit Schimpfen alleine hätten Mama und Papa nichts erreicht. Es wäre mir
sicherlich unangenehm gewesen, aber ich bezweifle, ob es gereicht und lange angehalten
hätte.«
»Hm. Glaubst du, du wärst fleißiger gewesen, wenn man dich mal für deine Faulheit und
schlechte Noten bestraft hätte?« Giulia hob fragend die Augenbrauen. »Na ja, Stubenarrest
zum Beispiel, kein Taschengeld oder irgendwelche Strafarbeiten ausführen, die dir
unangenehm gewesen wären.«
»Ich weiß nicht«,
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