Verfuehrung im Mondlicht
freundlicherweise mit ausreichend vielen Handtüchern versorgt hat.«
Der Alte Henry hatte auch mit einem langen Haken ihre Brille vom Beckenboden geangelt.
Trotzdem sah Concordia ein bisschen merkwürdig aus. Sie war von Kopf bis Fuß in Ambroses Übermantel eingehüllt. Doch das schwere Kleidungsstück war sehr nützlich. Es erlaubte ihr, als Gentleman durchzugehen, jedenfalls was den Kutscher betraf.
Sie wusste allerdings nicht, was der Mann von dem großen Handtuch hielt, das sie sich um ihr nasses Haar gewickelt hatte. Sicherlich ein interessantes Modeaccessoire, dachte sie. Vielleicht konnte sie ganz allein die Rückkehr des Turbanstils bewerkstelligen, der vor einer ganzen Weile in den exklusiveren Ballsälen gepflegt worden war.
Um ihre Gesundheit machte sie sich keine Sorgen. Sie war fest davon überzeugt, dass sie ihr unfreiwilliges Bad wohlbehalten überstehen würde. Stattdessen machte ihr Ambrose Kummer. Seit er von dem Dach zurückgekehrt war, befand er sich in einer finsteren, in sich gekehrten Stimmung.
»Du hast dem armen alten Mann heute Abend das Leben gerettet«, erklärte sie. »Wenn du nicht aufgetaucht wärest, hätte Trimley ihn ohne zu zögern erschossen.«
»Der Alte Henry ist der Informant, der mir verraten hat, dass Nellie einmal ein Gespräch mit Larkin erwähnte, in dem von Aldwick Castle die Rede war. Er hat mir den ersten brauchbaren Hinweis in diesem Fall geliefert.«
»Ist der Alte Henry auch einer deiner früheren Klienten?«
»Ja. Er hat seine Rechnung mehr als nur beglichen.«
Die Kutsche kam zum Stehen. Concordia schaute aus dem Fenster und sah eine Reihe entzückender Reihenhäuser.
»Das muss Ransomheath Square sein«, erklärte sie. »Meine Güte, was für hübsche Stadthäuser. Mir ist zwar klar, dass man den Männern, die in der Kriminalabteilung arbeiten, mehr zahlt als den Constablern auf der Straße, aber ich wusste nicht, das sie so viel verdienen, dass sie sich einen solchen Luxus leisten können.«
Ambrose öffnete den Schlag der Kutsche. »Felix musste dieses Stadthaus nicht von seinem Gehalt als Polizeiinspektor finanzieren.«
»Stammt er aus einer vermögenden Familie?«
»Nein. Aber es ist ihm gelungen, eine hübsche Summe Geldes in dem Beruf zu verdienen, dem er nachging, bevor er sich entschloss, Polizist zu werden. Er hat das Geld sehr gut investiert.« Er stieg aus. »Warte hier. Ich bin gleich wieder da.«
Concordia sank in die Polster der Kutsche zurück und sah ihm nach, wie er die Treppe zu Haus Nummer sieben hinaufging. Er klopfte, und nach einer Weile schwang die Tür auf. Das unstete Licht einer Kerze flackerte in der Öffnung. Ambrose sprach kurz mit jemandem, den Concordia nicht sehen konnte.
Die Tür schloss sich, Ambrose ging die Stufen hinunter und sprang in die Kutsche.
Kurz darauf öffnete sich die Haustür von Nummer sieben ein weiteres Mal. Ein Mann schritt federnd die Treppe hinab. Als er unter der Gaslampe hindurchging, sah Concordia, dass er einen Übermantel trug. Er hatte sich die Zeit genommen, Hose und Schuhe anzuziehen, aber er war noch damit beschäftigt, sein Hemd zuzuknöpfen. Die Enden einer Krawatte flatterten über seine Brust.
»Doncaster-Bäder!«, befahl er dem Kutscher, bevor er in die dunkle Kutsche sprang. Der Kutscher schlug ein zügiges Tempo an.
»Warum zum Teufel musst du mich immer um zwei Uhr morgens besuchen, Wells?«, knurrte er. »Kannst du nicht zu einer höflicheren Stunde kommen?« Jetzt erst bemerkte er Concordia auf dem Sitz gegenüber. »Ihr seid wahrscheinlich die Lehrerin.«
Sie konnte zwar seine Gesichtszüge in der dunklen Kutsche nicht erkennen, aber ihr gefiel seine Stimme.
»Ja, das stimmt«, erwiderte sie.
Ambrose lehnte sich zurück. »Concordia, ich möchte dir Inspektor Felix Denver vorstellen. Felix, das ist Miss Glade.«
»Guten Abend, Miss Glade. Oder sollte ich sagen: Guten Morgen?« Felix band sich mit einigen geübten Handbewegungen die Krawatte. »Ich will Euch nicht zu nahe treten, aber würdet Ihr mir verraten, was Ihr da auf dem Kopf tragt? Ist das die neueste Hutmode?«
»Es ist ein Handtuch.« Verlegen griff sie an das Handtuch. »Mein Haar ist nass geworden.«
»Tatsächlich«, meinte Felix. »Ist mir gar nicht aufgefallen, dass es heute Nacht geregnet hat.«
»Es ist eine lange und recht komplizierte Geschichte. Mr. Wells wird sie Euch erklären.«
»Ein ausgezeichneter Vorschlag.« Felix drehte sich auf der Sitzbank herum. »Dann erklär mal,
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