Verfuehrung im Mondlicht
irgendwelche sozialen Beziehungen vorweisen. Sie haben zwar einige entfernte Verwandte, aber keiner von ihnen hat sich auch nur im Geringsten bemüht, sie in ihren Haushalt aufzunehmen.«
Er dachte kurz darüber nach. »Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt. Keine von ihnen würde eine Rolle in der Gesellschaft spielen können.«
»Exakt. Ihnen bleibt höchstens die Möglichkeit, den Beruf einer Lehrerin oder Gouvernante zu ergreifen. Warum sollte man sie also mit Gewändern ausstaffieren, die eher für den Ballsaal und das Theater geeignet schienen?«
»Offenbar habt Ihr das Schlimmste angenommen.«
»Allerdings, Mr. Wells.« Sie ballte die Hand in ihrem Schoß zur Faust. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass meine Schülerinnen darauf vorbereitet wurden, als kostspielige und elegante Kurtisanen verschachert zu werden.«
»Das ist durchaus möglich.« Ambrose dachte kurz nach. »Wie ich Euch bereits sagte, unterhält Larkin eine Vielzahl von Bordellen.«
»Ihr habt gewiss einige der Artikel in den Zeitungen gelesen, in denen von dem skandalösen Handel mit jungen Mädchen berichtet wurde, die aus Waisenhäusern entführt und zur Arbeit als Prostituierte gezwungen wurden. Es ist ekelhaft. Und die Polizei hat nur wenig getan, um dem Einhalt zu gebieten.«
»Allerdings. Nur wurden Eure Mädchen nicht in ein Bordell gesteckt, sondern nach Aldwick Castle geschickt. Eine Lehrerin wurde engagiert. Ihr habt selbst gesagt, dass der untadelige Ruf der Mädchen besonders gewahrt und geschützt werden sollte.«
»Ich glaube nicht, dass man diese Mädchen zu normalen Prostituierten machen wollte. Bedenkt die Umstände, Mr. Wells. Alle meine vier jungen Schülerinnen sind in sehr respektablen Familien aufgewachsen. Sie haben ausgezeichnete Manieren, sind von vornehmer Herkunft und gebildet. Sie sprechen mit dem verfeinerten Akzent der sozialen Oberschicht.«
»Mit anderen Worten, sie kommen nicht von der Straße.«
»Genau. Ich bin nicht naiv, Sir. Ich kenne mich in der Welt aus. Mir ist bewusst, dass es einen Markt für exklusive Kurtisanen gibt, deren Stil und Manieren sogar mit dem der Damen mithalten kann, die in ehrbaren Kreisen verkehren.«
Ambrose verbarg seine Überraschung. Dass Concordia so beiläufig von solch anrüchigen Realitäten sprach, beunruhigte ihn auf eine seltsame Art und Weise. Frauen ihrer Schicht sprachen über solche Dinge höchst selten und schon gar nicht auf eine so nüchterne Art und Weise.
»Das stimmt«, gab er schließlich zu.
»Und um wie vieles wertvoller wären solche Kurtisanen wohl, wenn sie tatsächlich aus respektablen Kreisen kämen und dies mit ihrem Aussehen und ihren Umgangsformen auch unter Beweis stellen könnten? Ganz zu schweigen davon, dass sie auch noch unschuldig und jung wären und über einen tadellosen Ruf verfügten?«
»Ich kann Euch in diesem Punkt schwerlich widersprechen. Dennoch ...«
»Ich habe gestern Abend Rimpton und Bonner belauscht, als sie über eine Auktion sprachen, die in Bälde stattfinden sollte. Ich bin sicher, dass meine Schülerinnen dabei an den Meistbietenden versteigert werden sollten.«
»Eine Auktion?«
Concordia verkrampfte unwillkürlich die Hand in ihrem Schoß. »Ja.«
Ambrose zögerte, wog ihre Worte ab und nickte schließlich bedächtig. »Ihr könntet Recht haben. Es würde jedenfalls einige der merkwürdigen Aspekte dieser Situation erklären.«
»Wieso interessiert Ihr Euch überhaupt für diese Angelegenheit, Sir? Warum habt Ihr die Burg beobachtet und auf Larkins Ankunft gewartet?« Ihre Miene hellte sich auf. »Seid Ihr ein Polizist? Vielleicht von Scotland Yard?«
»Nein. Ich bin mit einer privaten Ermittlung betraut, die ich im Auftrag einer Klientin durchführe, welche die Wahrheit über den Tod ihrer Schwester in Erfahrung bringen will.«
»Ihr seid ein privater Ermittler?« Concordia war sichtlich überrascht. Doch im nächsten Moment flackerte Neugier in ihrem Blick auf. »Wie interessant. Ich habe noch nie jemanden kennen gelernt, der diesem Beruf nachgeht.«
»Ich hoffe, ich werde Euer Interesse weiterhin geweckt halten können, Miss Glade, weil wir uns in absehbarer Zukunft häufiger sehen werden.«
»Wie bitte?«
Ambrose stieß sich von dem Kaminsims ab und trat zu ihr. »Nach dem, was gestern Nacht auf der Burg geschehen ist, wird Larkin annehmen, dass Ihr seine Pläne kennt, wenigstens zum Teil. Zudem wird er zweifellos die Mädchen zurückhaben wollen, die er als sein persönliches Eigentum betrachtet.
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