Verfuehrung im Mondlicht
fühlte er sich getrieben, hinter jede Fassade zu blicken und nach Antworten zu suchen.
Dennoch, keiner dieser vollkommen logischen Gründe konnte die merkwürdige Faszination gänzlich erklären, die diese Frau auf ihn ausübte.
Er beobachtete, wie Concordia noch einen Schluck Sherry trank. Das Glas zitterte unmerklich in ihren Fingern. Die Anspannung, die Gefahr und die Auswirkungen der Furcht forderten allmählich ihren Tribut. Ambrose vermutete, dass ihr das Schlimmste noch bevorstand. Und zwar würde das in dem Moment einsetzen, in dem ihr klar wurde, dass sie einem Mann den Schädel eingeschlagen und ihn so getötet hatte.
Solch erschütternde Erkenntnisse setzten einem vor allem des Nachts zu, das hatte er am eigenen Leib erfahren. Düstere Gedanken gediehen am besten in der Dunkelheit. Wenn er sich auch nur im Geringsten nach seinen eigenen Erfahrungen mit Gewalt richten konnte, war es so gut wie sicher, dass Concordia vermutlich ab jetzt des Nachts häufiger schweißgebadet aufwachen würde, und zwar nicht nur in den nächsten Tagen, sondern noch in Wochen, Monaten und vielleicht sogar Jahren.
Das Wissen, dass sie diese Tat nur begangen hatte, um ihre Schülerinnen zu retten, würde nur wenig dazu beitragen, ihre Albträume zu besänftigen. Seine Ausbildung hatte ihn gelehrt, die gefährliche Alchemie der Gewalt zu fürchten. Sie verlieh demjenigen, der sich ihrer bediente, große Macht, doch sie forderte einen ebenso hohen Preis.
»Wenn Ihr es vorzieht, können wir dieses Gespräch morgen früh fortsetzen, nachdem Ihr geruht habt.« Sein spontaner Vorschlag überraschte ihn. Eigentlich wollte er Antworten, und zwar möglichst sofort, nicht erst morgen. Heute war so viel schief gegangen. All seine sorgfältig geschmiedeten Pläne waren, im wahrsten Sinne des Wortes, in Rauch aufgegangen. Er musste so schnell wie möglich einen neuen Plan ersinnen.
Doch er brachte es nicht über sich, Concordia in dieser Nacht noch weiter zu bedrängen.
»Nein.« Sie ließ das Sherryglas sinken und schaute ihn entschlossen an. »Ich glaube, es wäre das Beste, wenn wir uns gegenseitig unsere Fragen beantworten. Zunächst einmal möchte ich wissen, wie und warum Ihr heute Abend zu der Burg gekommen seid. Was hattet Ihr dort vor?«
»Ich habe das Kommen und Gehen auf der Burg fast vierundzwanzig Stunden lang von einem verlassenen Gehöft aus beobachtet. Ich habe auf die Ankunft eines bestimmten Mannes gewartet. Mein Informant hatte mir gesagt, dass er bald erwartet würde. Morgen oder spätestens übermorgen. Angesichts der Ereignisse dieses Abends jedoch halte ich es für ziemlich sicher, dass er nicht mehr auftauchen wird.«
»Und wie heißt dieser Mann?«
»Alexander Larkin.« Er beobachtete sie scharf, um festzustellen, ob dieser Name ihr etwas sagte.
Ihre Pupillen weiteten sich unwillkürlich. »Ich habe den Namen Larkin gelegentlich auf der Burg gehört, aber man hat immer nur im Flüsterton von ihm gesprochen. Ich sollte wohl keine Anspielungen auf ihn mithören. Heute Abend wurde dieser Name wieder genannt, sozusagen.«
»Was meint Ihr mit sozusagen?«
»Der zweite Schurke aus London, der sich uns im Stall in den Weg gestellt hat, hat mich für eine komplette Närrin erklärt, wenn ich glaubte, es könnte mir gelingen, Larkins Eigentum zu stehlen.« Sie umklammerte das Glas fester. »Er sagte auch ... schon gut, das ist nicht mehr von Bedeutung.«
»Was hat er noch gesagt?«, drängte Ambrose sie sanft.
»Er sagte: >Ihr seid so gut wie tot, das ist mal sicher.<« Sie straffte ihre ohnehin schon stark gestrafften Schultern noch ein wenig mehr. »Was wisst Ihr über diesen Alexander Larkin?«
»Er ist eine der berüchtigtsten Gestalten der Londoner Unterwelt. Eine Art Meisterverbrecher oder ein Verbrecherlord, wenn Ihr so wollt. Er hat sich von den härtesten Straßen der Stadt nach oben gearbeitet. Jetzt führt er das Leben eines wohlhabenden Gentlemans, natürlich ohne echte gesellschaftliche Beziehungen. Selbstverständlich wird er von der besseren Gesellschaft nicht akzeptiert.«
»All den Putz der oberen Klassen, aber dennoch kein Teil ihrer Welt.« Sie drehte das Sherryglas zwischen den Fingern, als wollte sie sie daran aufwärmen. »Dasselbe Schicksal wie jeder andere Mann, der sein Vermögen mit Handelsgeschäften gemacht hat, nehme ich an.«
»Im Geschäft ist er ganz gewiss. Larkin hat seine finanziellen Interessen breit gestreut, in einer Vielzahl illegaler Unternehmungen, einschließlich der
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