Verfuehrung im Mondlicht
zu erscheinen. »Eine sehr unerfreuliche Entwicklung, das gebe ich zu. Aber ein Mädchen aufzuspüren ist nicht ganz so einfach. Es gibt zufällig eine Vielzahl von Waisenhäusern und Mädchenstiften in London.« Er hielt inne und runzelte die Stirn. »Wie alt ist die fragliche junge Dame?«
»Meiner Schätzung nach müsste sie vor ein paar Monaten fünfzehn Jahre alt geworden sein«, sagte Concordia.
Cuthbert seufzte. »Das verkompliziert die Lage erheblich. Mit fünfzehn werden die meisten Waisen bereits aus den Heimen entlassen, um Geld zu verdienen. Es geht schließlich nicht an, dass diese lebensuntüchtigen jungen Menschen nur auf der faulen Haut liegen, ihre Zeit vergeuden und die Freundlichkeit ihrer Wohltäter ausnutzen, nicht wahr?«
»Sollte dies in diesem Fall so sein, gibt es sicherlich eine Notiz in den Unterlagen, wo die junge Lady zurzeit beschäftigt ist«, erklärte Ambrose.
»Das mag sein«, stimmte Cuthbert ihm zögernd zu. »Dennoch ...«
Ambrose klopfte einmal scharf mit der Spitze seines Gehstocks auf den Boden. Cuthbert zuckte heftig zusammen.
»Ich muss mich wohl unmissverständlich ausdrücken«, knurrte Ambrose. »Ich betrachte das Auffinden dieses Mädchens als eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit.«
»Ich verstehe. Dennoch ...«
»Dieses Balg ist uns viel wert«, fuhr Ambrose bedeutungsvoll fort. »Ich bin bereit, die Person, die mir hilft, sie aufzufinden, großzügig zu entlohnen. Habe ich mich verständlich gemacht?«
Cuthbert sah ihn forschend an. »Wie großzügig?«
»Sagen wir tausend Pfund?«
Cuthbert öffnete und schloss den Mund zweimal, bevor er seine Stimme wiederfand. »Das ist allerdings eine sehr großzügige Belohnung.« Er räusperte sich. »Ich denke, ich könnte einige Erkundigungen einholen. Übrigens, wie lautet der Name der jungen Dame?«
»Hannah Radburn.«
Cuthbert versteifte sich und lief rot an. Es sah aus, als würde seine Krawatte ihn erwürgen.
»Radburn?«, flüsterte er heiser. »Seid Ihr Euch sicher?«
»Natürlich«, sagte Concordia eisig.
Ambrose griff in seinen Mantel und zog ein Stück Papier heraus. »Meine Gattin hat eine Liste mit Hannahs Merkmalen aufgestellt. Ort und Datum der Geburt, der Name ihrer Eltern und so weiter. Bitte führt Eure Ermittlungen gründlich. Wir wollen doch nicht das falsche Mädchen erwischen, nicht wahr?«
Cuthbert wirkte gehetzt. »Sir, ich ... ehm ...«
»Sollte sich herausstellen, dass sie tatsächlich das Waisenhaus bereits verlassen hat, wie Ihr andeutetet«, schnitt Ambrose ihm das Wort ab, »wären wir Euch sehr dankbar, wenn Ihr uns Hinweise auf ihren derzeitigen Aufenthaltsort liefern könntet.«
»Waisenkinder enden leider nicht immer an den angenehmsten Orten, wenn sie sich als Dienstboten verdingen«, sagte Cuthbert schwach. »Ich bedauere sagen zu müssen, dass einige auch einfach verschwinden.«
»Wenn ich Euch richtig verstehe, wollt Ihr sagen, dass sie auf der Straße oder in Bordellen landen!«, fuhr Concordia ihn an. »Und wem muss man daran wohl die Schuld geben? Solange Frauen nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie die Männer, sich ehrliche Anstellungen zu suchen ...«
Ambrose stand auf, legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie. Fest.
Concordia verstummte mürrisch.
Ambrose schaute Cuthbert an, der Concordia vollkommen erstaunt anglotzte.
»Ihr müsst meine Gemahlin entschuldigen, Sir«, erklärte Ambrose. »Sie ist vollkommen außer sich, seit sie feststellen musste, dass die Erbschaft ihrer Tante dieser Hannah Radburn überlassen wurde.«
»Ja, selbstverständlich.« Cuthbert riss sich zusammen. »Eine solche Angelegenheit zehrt natürlich sehr an den Nerven. Und das Gemüt einer Dame kann so etwas sicherlich vollkommen zerrütten.«
»Allerdings«, erklärte Ambrose. »Um zu dieser Angelegenheit zurückzukommen: Wir müssen Hannah finden, selbst wenn sie ruiniert sein sollte. Das Mädchen ist im wahrsten Sinn des Wortes ihr Gewicht in Gold wert. Wie gesagt, ich zahle Euch tausend Pfund, wenn Ihr die Kleine herbeischafft!«
Cuthbert seufzte. »Vielleicht gelingt es mir nicht, sie zu Euch zu bringen. Aber ich könnte herausfinden, wo sie sich im Moment aufhält. Was wäre Euch das wert?«
»Fünfhundert Pfund, und diese Summe bekämt Ihr ebenfalls, wenn Ihr mir auch nur den Namen von jemandem besorgen könnt, der etwas über Hannah weiß«, sagte Ambrose leise.
Cuthbert sah ihn fassungslos an. »Fünfhundert Pfund für einen Namen?«
»Wir versuchen
Weitere Kostenlose Bücher