Verfuehrung im Mondlicht
unserer Berufe sehr viel Mühe auf uns genommen haben, einen undurchdringlichen Vorhang um unser Privatleben zu ziehen.«
Er dachte einen Moment darüber nach und senkte dann ernsthaft den Kopf. »Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Ich will auf Folgendes hinaus, Sir«, sagte sie sanft. »Wenn man sehr lange mit seinen Geheimnissen gelebt hat, kann es einem irgendwann sehr schwer fallen, diese gewohnte Heimlichtuerei aufzugeben.«
Seine Augen verdunkelten sich, und einen Moment fürchtete Concordia, sie wäre zu weit gegangen.
Zu ihrer Überraschung beugte er sich jedoch vor und strich mit einem Finger zärtlich unter ihrem Kinn entlang.
»Manchmal ist es besser, alte Gewohnheiten nicht aufzugeben.«
»Ich habe mit meiner gebrochen, als ich Euch von meiner Vergangenheit in der Crystal-Springs-Gemeinschaft erzählt habe.«
»Seid versichert, dass ich Eure Geheimnisse wahren werde.«
»Dessen bin ich mir sicher. Aber es findet kein gleichberechtigter Austausch zwischen uns statt, Ambrose. Ich habe Euch vertraut. Könnt Ihr mir denn nicht vertrauen?«
Er lehnte sich in die Polster und zog sich in sich selbst zurück. Sie konnte die unsichtbaren Schlösser seines Geistes beinahe klicken hören.
»Das ist keine Frage von Vertrauen«, erklärte er schließlich.
»Sind Eure Geheimnisse denn so schrecklich?«
Er hob die Brauen. Die Warnung war subtil und dennoch unmissverständlich. »Ich bin keine Eurer Schülerinnen, die Ihr mit Mitgefühl und einem wohlwollenden Ohr trösten könnt, Concordia. Ich habe schon sehr lange mit meinen Geheimnissen gelebt.«
Der Tadel traf sie hart. Er würde sich ihr nicht anvertrauen, und damit war der Fall erledigt.
»Wohlan denn.« Sie faltete die Hände in ihrem Schoß. »Ich werde Euch ganz Euren Gedanken überlassen, Sir. Und nicht weiter in Euch dringen.«
Er richtete den Blick sofort wieder aus dem Fenster. Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich, bis Concordia es nicht mehr ertragen konnte. Sie überlegte, wie sie es brechen konnte.
»Ich frage mich, was Mrs. Hoxton sagen würde, wenn sie wüsste, was in der Winslow-Armenschule für Mädchen vor sich geht«, sagte sie nachdenklich.
Ambrose runzelte die Stirn. »Wer zum Teufel ist Mrs. Hoxton?«
»Die Wohltäterin der Schule. Ihr Bild hängt an der Wand von Edith Pratts Büro, direkt gegenüber einer Fotografie der Königin.«
»Tatsächlich?« Er zog die Brauen hoch. »In diesem Fall ist Eure Frage sehr interessant. Es ist tatsächlich die Frage, was diese Mrs. Hoxton von den Vorgängen an dieser Schule weiß.«
»Gar nichts, nehme ich an.«
»Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein?«
Concordia schnitt eine Grimasse. »Nach dem, was die Mä-dchen mir von ihr erzählt haben, ist Mrs. Hoxton typisch für die vielen Damen in ihrer Position, die sich für philanthropische Projekte engagieren. Sie tun das nur, weil sie der Meinung sind, dass dies ihr Ansehen in der Gesellschaft hebt. Die Mrs. Hoxtons dieser Welt interessieren sich nicht wirklich für die Schulen und Waisenhäuser, die sie finanziell unterstützen.«
»Haben die Mädchen diese Mrs. Hoxton jemals zu Gesicht bekommen?«
»Einmal. Sie ist zu Weihnachten aufgetaucht und gerade so lange geblieben, um jedem der Mädchen ein paar Fausthandschuhe zu überreichen. Phoebe, Hannah, Edwina und Theodora sagten, dass alle Schülerinnen zu dieser Gelegenheit in den Speisesaal gerufen wurden. Miss Pratt hat eine kleine Rede gehalten, in der sie ihnen klar machte, wie viel Glück sie hätten, eine solch gnädige und großzügige Wohltäterin zu haben. Dann haben die Mädchen ein paar Weihnachtslieder gesungen, und Mrs. Hoxton hat sich verabschiedet.«
Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Das muss ein sehr bemerkenswertes Weihnachtsfest für die Schülerinnen gewesen sein.«
»Man darf wohl behaupten, dass Mrs. Hoxton nicht viel Interesse an den alltäglichen Vorgängen in ihrer Stiftungsschule besitzt.«
»Ich glaube Euch«, meinte Ambrose. »Dennoch ...«
»Ja?«
»Es könnte interessant sein, Mrs. Hoxton einige Fragen über ihre wohltätige Arbeit zu stellen.«
Concordia sah ihn erstaunt an. »Ihr wollt Mrs. Hoxton befragen?«
»Ja. Allerdings muss das bis morgen warten. Heute ist es schon zu spät dafür.«
»Seid Ihr mit ihr bekannt?«
»Ich habe diese Frau noch nie getroffen«, räumte Ambrose ein.
Sie breitete die Hände aus. »Mrs. Hoxton ist offenbar eine sehr wohlhabende Frau, die sich in den besten Gesellschaftskreisen bewegt. Wie um alles in der
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