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Verfuehrung im Mondlicht

Titel: Verfuehrung im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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Witwen, pensionierte Haushälterinnen, Gouvernanten und andere, die von mageren Pensionen und kleinen Investitionen lebten.
    Ambrose schloss die letzte Schublade des Schranks und trat an den Schreibtisch, ohne allzu viel zu erwarten. Er wurde nicht enttäuscht. In den meisten Schubladen befanden sich Papier, Geschäftskarten, Stifte, Bleistifte und Tintenfässer.
    In der mittleren Schublade lag ein kleines, in Leder gebundenes Journal. Er blätterte es rasch durch. Auf den Seiten befanden sich Kolonnen mit Zahlen und Summen. Ein Kontobuch, schloss Ambrose. Man konnte viel über einen Menschen erfahren, wenn man seine Finanzen genauer unter die Lupe nahm.
    Er schob das kleine Buch in die Tasche, schloss die Schublade und trat ans Fenster. Er presste sich an die Wand und spähte durch einen Schlitz im Vorhang auf die Straße.
    Dort hatte sich nichts verändert. Der Nebel dämpfte nach wie vor das Licht der Gaslaternen. Der dunkle Schatten der Kutsche mit dem dösenden Fahrer befand sich noch immer an derselben Stelle. Nichts schien sich dort draußen zu rühren.
    Ambrose ging durch das Büro, schloss die Tür auf und trat in den dunklen Flur. Erneut hielt er inne und betrachtete seine Umgebung mit seinen ausgezeichneten Augen.
    Als er niemanden sehen konnte, machte er sich zufrieden auf den Weg nach unten.
    Auf der Straße näherte er sich zielstrebig der Droschke. Seine Schritte hallten laut durch den Nebel.
    »Kutscher, auf ein Wort, wenn’s beliebt!« Er sprach mit dem näselnden, vornehmen Akzent, den Mr. Dalrymple pflegte.
    Der Kutscher richtete sich auf und schaute Ambrose an, der sich ihm näherte. Sein Gesicht wurde vom Schatten des hohen Kragens, des dicken Schals und des Hutes mit der niedrigen Krone verborgen.
    »Tut mir Leid, Sir, bin heut nicht zu mieten. Warte auf 'nen Fahrgast.«
    »Tatsächlich?« Ambrose ging weiter auf ihn zu.
    »Aye, Sir. Wenn Ihr ’ne Mietdroschke sucht, findet Ihr vermutlich eine in der nächsten Straße.«
    »Ich brauche keine Mietdroschke«, erklärte Ambrose. »Ich würde Euch nur gern ein paar Fragen stellen.«
    Er war mittlerweile kaum noch zehn Schritte von der Kutsche entfernt. Die Lampen in ihrem Inneren waren heruntergedreht, und die Vorhänge an den Fenstern waren zugezogen.
    Aus den Augenwinkeln sah er einen feuchten Fleck auf dem Bürgersteig direkt unter dem Schlitz der geschlossenen Passagiertür. Vielleicht hatten der Gaul oder der Kutscher sich erleichtert, während sie auf ihren Fahrgast warteten. Aber für ein Pferd war es nicht genug Flüssigkeit, und die Pfütze stank auch nicht so durchdringend wie Urin.
    »Seid versichert, dass ich Euch Eure Mühe reichlich entgelte.« Ambrose griff in die Tasche und zog einige Münzen heraus.
    Dem Kutscher war sichtlich unbehaglich. »Was wollt Ihr ’n wissen?«
    »Ich suche nach dem Finanzverwalter, dessen Büro in diesem Gebäude liegt, das ich soeben verlassen habe. Wir hatten eine Verabredung, aber leider ist er nicht aufgetaucht. Habt Ihr zufällig gesehen, ob jemand das Haus betreten oder verlassen hat, bevor ich gekommen bin?«
    Ambrose stand jetzt nur noch zwei Schritte von der Droschke entfernt. Diese Feuchtigkeit auf dem Bürgersteig war zutiefst beunruhigend. Warum sollte sich ein Kutscher direkt an seiner Kutsche erleichtern, wenn nur einige Schritte weiter eine Gasse von der Straße abging?
    »Ich hab keinen nich’ gesehen«, murmelte der Mann.
    Ambrose war plötzlich wie elektrisiert. Seine ohnehin schon wachen Sinne glitten in diesen intensiven, fast übernatürlichen Zustand über, in dem selbst die schwächste Bewegung, ein Geräusch oder ein Schatten, der sich veränderte, eine große Bedeutung gewannen.
    »Was ist mit Eurem Fahrgast?«, fragte er. »Ihr müsst ihn doch kürzlich noch gesehen haben.«
    »Er hält sich ’ne kleine Hure hier in der Straße. Lebt in ’nem Zimmer über den Geschäften. Er ist vor ’ner Stunde zu ihr gegangen und hat mir befohlen zu warten. Mehr weiß ich nich’.«
    »Tatsächlich.« Ambrose betrachtete den dunklen Fleck auf dem Bürgersteig.
    Er stand jetzt direkt neben der Kutsche, packte den Türgriff und riss den Schlag auf.
    Ein Arm, der offenbar gegen die Tür gedrückt hatte, plumpste nach unten und baumelte grotesk in der Öffnung. Ambrose sah den dunklen Umriss der Leiche, die auf dem Boden der Kutsche lag.
    Die Außenlaterne der Kutsche spendete gerade so viel Licht, dass das Blut, welches aus der tödlichen Wunde auf Cuthberts Brust gesickert war, matt

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