Verfuehrung im Palast der Liebe
bewegte sich etwas, doch noch immer war sein Gesicht nicht zu erkennen. „Du bist Jungfrau geblieben, weil du nicht heiraten wolltest? Verzeih, aber das scheint mir nun doch ein wenig …“
Jeden Moment würde er anfangen, Fragen zu stellen. Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Sie musste ihm zuvorkommen und eine plausibel klingende Erklärung liefern.
„Ich wollte meine Unabhängigkeit behalten und eine Karriere aufbauen. Als Teenager schien es mir, dass ein Mädchen diese Dinge vergaß, sobald sie sich verliebte. Also schwor ich mir, ich würde mich nie verlieben, es war einfach zu riskant. Dass ich so lange Jungfrau geblieben bin, ist ein Nebeneffekt dieser Entscheidung.“ Sie zuckte mit einer Schulter, gleichgültig, wie sie hoffte. „Als ich älter wurde, erkannte ich jedoch, dass Sex und Liebe nicht unbedingt zusammengehören müssen, dass man Sex haben und dennoch emotionell ungebunden bleiben kann. Zudem fragte ich mich, was ich wohl verpasse, nur weil ich einen Entschluss gefasst habe, als ich noch sehr unreif war.“
„So hast du dich nach jemandem umgesehen, mit dem du Sex haben kannst? Ist es das, was du sagen willst?“
Keira brachte tatsächlich ein kleines Lachen zustande. „So würde ich es nicht unbedingt bezeichnen. Hätte ich einen solchen Plan gehabt, dann hätte ich zuerst über die Peinlichkeit meiner fehlenden Erfahrung hinwegkommen müssen. Mir ist klar, dass das, was zwischen uns geschehen ist, völlig unerwartet gekommen ist. Wahrscheinlich wäre es uns beiden lieber, es wäre nie geschehen.“
Als sie von ihrem Schwur, sich nicht zu verlieben, gesprochen hatte, da hatten ihre Worte ehrlich geklungen, musste Jay zugeben. Er hatte sie schon vorher falsch beurteilt. Sein Stolz ließ nicht zu, dass ihm das noch einmal passierte. Es ergab durchaus Sinn, wenn er ihre Erklärung akzeptierte.
Doch er wollte auch noch einmal seine Aussage untermauern, um ihr Verhältnis wieder zu einem rein geschäftlichen werden zu lassen.
„Unter den gegebenen Umständen wäre es sicher das Beste, wenn wir nicht weiter zusammenarbeiten“, sagte Keira jetzt. Sie konnte es nicht riskieren, den Vertrag von sich aus zu brechen, aber sie hoffte inbrünstig, Jay würde ihn annullieren. Wie sollte sie weiter für ihn arbeiten können, wenn sie so für ihn fühlte?
„Ich wünsche nicht, dass unser Vertrag gelöst wird“, erwiderte er scharf. „Zu dem jetzigen Zeitpunkt wäre es zu teuer und zu kompliziert, einen neuen Innenarchitekten zu finden. Deshalb bin ich ja so offen. Ich möchte jedes Missverständnis und alle Unklarheiten von vornherein ausschließen, um Erwartungen und Hoffnungen, die niemals erfüllt werden können, gar nicht erst aufkommen zu lassen.“
Keira versuchte so gelassen wie möglich zu antworten. Denn was würde er über sie denken, wüsste er die ganze Wahrheit? „Meine Erwartungen und Hoffnungen beziehen sich allein auf meine Arbeit.“
„Umso besser. Genau wie meine“, entgegnete Jay.
Jay war gegangen, Keira allein. Doch selbst jetzt wagte sie es nicht, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Ganz wie damals, als sie noch bei ihrer Tante gewohnt hatte.
Wenn sie es zuließ, dass andere ihren Schmerz erkannten, dann bot sie damit Angriffsflächen, sodass man sie noch mehr verletzen konnte. Diese Lektion hatte sie in ganz jungen Jahren gelernt. Doch der Schmerz, den sie damals durchgemacht hatte, war nichts im Vergleich zu dem, den sie nun irgendwie überleben musste.
Das Undenkbare, das Unerträgliche, das Grausamste von allem war durch ihre Verteidigungsmauern geschlüpft und hatte sie überwältigt. Sie hatte sich in Jay verliebt. Er durfte es nie erfahren. Eher würde sie sterben, als dass sie sich derart erniedrigte und ihn wissen ließ, zu welch einer Närrin sie sich gemacht hatte.
In der Nacht hatte sie das größte Versprechen gebrochen, das sie sich je gegeben hatte. Jetzt würde sie mit den Konsequenzen leben müssen.
11. KAPITEL
Die Arbeit an den ersten drei Musterhäusern war beendet. Es bestand keineswegs die Notwendigkeit, hier zu sein und Kissen aufzuschlagen, Blumen in Vasen zu arrangieren und Vorhänge gerade zu zupfen, doch Keira brauchte unbedingt Ablenkung. Jay sollte heute aus Mumbai zurückkommen.
Ob sie die Kraft finden würde, ihm so gelassen gegenüberzutreten, wie sie sich vorgenommen hatte? Schließlich wusste sie, was er von ihr hielt. Von der Sekunde an, da er seine Frage nach dem Grund für ihre Jungfräulichkeit gestellt hatte bis
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