Verfuehrung im Palast der Liebe
hin zu dem Moment, da er nach Mumbai abgeflogen war, hatte er sie mit nüchterner Distanz behandelt. Keira wiederum hatte in dieser Zeit die ganze emotionelle Palette von Schmerz bis Wut und wieder zurück durchlaufen, und so war sie letztendlich froh gewesen, als er abreiste.
Während seiner Abwesenheit konnte sie sich zumindest auf ihre Arbeit konzentrieren, ohne Angst haben zu müssen, welche Wirkung seine Nähe auf ihre Selbstbeherrschung haben könnte.
Doch jetzt wurde er zurückerwartet. Die letzte Nacht hatte Keira sich unruhig im Bett gewälzt, geplagt von Träumen voller Sehnsucht nach ihm, sodass ihr ganzer Körper heute dumpf schmerzte.
Er hatte ihr eine E-Mail geschickt mit der Nachricht, dass er den Redakteur eines exklusiven Wohnjournals mitbringen würde, der einen Bericht über die neue Wohnanlage veröffentlichen wollte, einschließlich Fotos von den Räumen und eines Interviews mit ihr über moderne Inneneinrichtung und Dekor.
Keira hatte sich dem Anlass entsprechend schick angezogen, sie trug ihr Lieblingskleid aus einem Gemisch aus Seide und Leinen und passende Accessoires dazu: eine Designersonnenbrille und eine große Lederhandtasche, ein Geschenk von einem neuen emporstrebenden Designer, dessen Apartment sie eingerichtet hatte. In der Vogu e hatte sie erst kürzlich gelesen, dass diese Beuteltaschen das absolute Muss für jede Frau waren.
Würde Jay ihre Arbeit gefallen? Keira versuchte, sich die Räume mit seinen Augen anzusehen statt mit ihren. Ihre Hände zitterten leicht, als sie die Holzstatue, die sie auf den flachen Wohnzimmertisch gestellt hatte, zurechtrückte. Was würde sie tun, wenn es nicht seinen Vorstellungen entsprach? In Tränen ausbrechen? Kaum.
Das Bild, das sie ihm bieten wollte, war das einer sachlichen und kompetenten Innenarchitektin, nicht das einer überemotionalen Frau, die sich in ihn verliebt hatte.
Sie konnte nicht den ganzen Tag hier mit Nichtstun verbringen, sie musste sich auf den Rückweg zum Palast machen. Jay hatte keine genaue Zeit für seine Ankunft angegeben.
Keira wollte gerade gehen, als draußen ein Geländewagen vorfuhr. Jay.
Ihr Herzschlag setzte aus, sie hatte das Gefühl, als würde die ganze Welt stillstehen. Nichts anderes existierte mehr für sie als dieser eine Mann.
Die schmerzende Sehnsucht, die in ihrem Herzen gefangen war, befreite sich und strömte durch ihren ganzen Körper. Jetzt verlangte jede Faser in ihr danach, Jay zu berühren oder von ihm berührt zu werden.
Er kam auf sie zu, den Blick fest auf sie gerichtet. Damit sie sich daran erinnerte, was er zu ihr gesagt hatte? Keira zwang sich zu einem verbindlichen Lächeln, für Jay fiel es nicht anders aus als für den Mann, den er ihr jetzt vorstellte. Der Redakteur erwiderte das Lächeln voller Herzlichkeit und mit männlichem Interesse – was ihr Jays kalte Gleichgültigkeit nur noch deutlicher machte.
„Meine Freunde nennen mich Jess“, sagte der Redakteur. „Ich hoffe, Sie werden mich ebenso nennen. Ich habe bereits viel über Ihre Arbeit gehört, und nur Gutes. Ich freue mich schon darauf, einen Artikel in unserer Zeitschrift veröffentlichen zu können.“
„Ich nehme an, Jay hat Ihnen davon erzählt, dass wir nur mit lokal hergestellten Materialien arbeiten?“ Keira trat einen Schritt beiseite, damit die Männer in das Musterhaus eintreten konnten.
„Glauben Sie nicht, dass dies Ihre Kreativität einschränkt?“
„Nein, ganz und gar nicht. Vor Ort hergestellte Waren zu benutzen und eine Einheit mit der jeweiligen Landschaft zu erzielen entspricht durchaus meinen Prinzipien. Es war eine erfüllende Herausforderung, sich an diese Vorgabe zu halten und gleichzeitig sicherzustellen, dass Ausstattung und Einrichtung den Geschmack der Kundengruppe treffen, die diese Apartments kaufen soll.“
Keira brach ab, um dem Redakteur Gelegenheit zu lassen, sich im Innern des Hauses umzusehen und ihre Arbeit zu begutachten.
„Ich bin beeindruckt“, sagte er schließlich. „Sehr beeindruckt. Dieser Stoff hier, zum Beispiel …“
„Wurde hier entworfen und hergestellt.“
„Jay, mit Ihrer Erlaubnis würde ich den Artikel über Keira und ihre Arbeit gern zum Leitartikel unserer aktuellen Ausgabe machen. Eigentlich würde ich sogar liebend gern eine Sonderausgabe über das gesamte Projekt drucken lassen, mit Interviews der Arbeiter der hiesigen Handwerksbetriebe, vielleicht eine kurze Geschichte der jeweiligen traditionellen Kunsthandwerke hinzufügen … so etwas in
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