Verfuehrung im Palazzo des Prinzen
gleich wieder den Rückzug angetreten. Diese unübersichtliche Armee von Geschirr, Besteck und Gläsern hat mich total entnervt.“
Sekundenlang herrschte tiefes Schweigen.
„Sie haben also kein Problem, sich einen Bühnenauftritt mit spitzen Ellenbogen zu erkämpfen, strecken aber vor einem gedeckten Tisch die Waffen?“
„Das ist etwas anderes. Auch wenn es sonst keiner tut, ich glaube an mein Talent und fühle mich absolut gut und sicher, wenn ich singe. Aber ich bin es nicht gewohnt, bei einem formellen Essen auch noch von toten Leuten angestarrt zu werden.“
Matteo kniff die dunklen Brauen zusammen. „Tote Leute?“
„All diese Porträts. Die Menschen darauf sind doch tot, oder?“
„Ja, aber …“
„Bei uns zu Hause hängen auch Familienfotos an den Wänden, aber von Dad, Mum, meinen Geschwistern und Gran. Sie ist zwar auch letztes Jahr gestorben, aber das zählt nicht, weil ich sie ja kannte.“
„Jetzt bin ich etwas verwirrt. Was bereitet Ihnen denn mehr Probleme, die alten Familienporträts oder Tischmanieren?“
„Beides.“
„Gut, die Bilder werde ich nicht abnehmen, aber sich mit Gläsern und Besteck zurechtzufinden, ist im Grunde ganz einfach: Immer von außen nach innen benutzen, lautet die goldene Regel. Ellenbogen gehören nicht auf den Tisch und …“, seine Brauen hoben sich, „… nicht an den Nägeln kauen.“
Erschrocken ließ sie die Hand sinken und versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken. „Muss ich dafür ebenfalls Messer und Gabel nehmen?“ Auch das ignorierte er geflissentlich. Izzy musterte den steifen Prinzen aus schmalen Augen. „Mal ehrlich, ganz kurz waren Sie doch versucht, zu mir in den Brunnen zu steigen, oder etwa nicht?“, fragte sie neugierig. „Wäre Ihre Sekretärin nicht aufgetaucht …“
Zuerst sah es so aus, als würde sie eine Antwort bekommen, doch dann erhob sich Matteo abrupt. „Ich habe noch zu arbeiten.“
Izzy folgte seinem Beispiel und reckte das Kinn vor. „Ich auch“, behauptete sie. „ Sie haben mich hierherzitiert, ich komme sehr gut allein zurecht.“
„Dann gehe ich davon aus, dass Sie sich selbst ein paar Stunden beschäftigen, ohne Haus und Hof zu gefährden?“
Gerade wollte sie zu einer schnippischen Entgegnung ansetzen, da fielen ihr die müden Linien um Augen und Mund ihres Gastgebers auf. „Sie sehen ganz schön fertig aus“, stellte sie schuldbewusst fest. „Ist das meine Schuld?“ Da der Prinz nicht antwortete, ließ sie den Blick über den randvollen Schreibtisch wandern, bis er an einem Stapel Zeitungen hängen blieb. Wie unter Zwang nahm sie die oberste in die Hand.
„Und, irgendwelche Neuigkeiten über die Party?“, fragte sie betont munter. „So etwas wie: Wo ist nur die angetrunkene Schwester der Braut geblieben, nachdem man sie aus dem Palast entfernt hat? “
„Zum Glück liegt der Fokus auf dem Verlobungspaar“, entgegnete er knapp. „Nur eine englische Zeitung findet Sie interessanter als Ihre Halbschwester.“ Er reichte ihr das Blatt, und als Izzy die Schlagzeile sah, verspürte sie einen scharfen Stich: Izzy Jackson, die Stimmungskanone!
„Könnte schlimmer sein“, sagte sie so gelassen wie möglich. „Also entspannen Sie sich endlich.“
„Fällt mir ausgesprochen schwer in Gegenwart einer Frau, die mich zu ihrem Ziel des Tages erklärt hat.“
„Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich feste Ziele habe“, erwiderte Izzy trotzig. „Für Sie ist alles einfach. Wenn Sie nur ein Wort sagen, hört Ihnen jeder zu. Ihr Status verschafft Ihnen Zugang zu wem Sie wollen. Jemand wie ich muss jede noch so kleine Chance nutzen, die sich ihm bietet. Darum habe ich mich auch bei Singing Star beworben. Das hat sich als Flop erwiesen, also musste ich mir ein neues Ziel suchen. Natürlich habe ich recherchiert, um zu wissen, welche Art von Musik Sie besonders mögen, aber so viel gibt das Internet auch nicht her.“
„Sie … Sie haben mich ausspioniert?“ Matteo konnte es nicht fassen. „Und Allegra?“, wollte er plötzlich wissen. „Setzt Ihre Schwester sich auch Tagesziele? Ist das möglicherweise sogar eine Art Familientradition? Haben Sie beide gewürfelt, wer meinen Bruder bezirzt und wer sein Glück bei mir versucht?“
Izzy schüttelte den Kopf. „Erstens ist Allegra nur meine Halbschwester, und zweitens war ich aus offensichtlichen Gründen allein an Ihnen interessiert.“
„Na, da bin ich aber gespannt. Klären Sie mich auf.“
„Wie bitte?“
„Ich würde
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